Arbeiterinnen

Aus der Beschäftigung mit Widerstand und Verfolgung von Frauen ergeben sich Fragen, die die Lebenssituationen von Frauen und Männern anders beleuchten als dies die Widerstandsforschung bisher getan hat: Wie war es unter den Bedingungen des national-sozialistischen „Maßnahmestaates“ für Frauen möglich, ihren auf Familie und Haushalt orientierten Alltag zu erhalten,

1) wenn sie dem politischen Widerstand nahe standen oder gar aktiv mitarbeiteten,

2) wenn religiöse Bindungen ihr Leben mehr bestimmten als nationalsozialistische Zielvorstellungen,

3) wenn sie aus rassischen oder sozialen Gründen aus der Volksgemeinschaft ausgegrenzt wurden,

4) wenn manche nach und nach von den nationalsozialistischen Versprechungen enttäuscht, zumal im Krieg, ihrem Unmut Luft machten, angezeigt und von der Gestapo verfolgt wurden?

Gibt es Unterschiede in den Motiven und Anlässen von Frauen und Männern für Kritik am Nationalsozialismus und zum Rückzug aus der Volksgemeinschaft?

Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Frühe Gegnerschaft zum Nationalsozialismus

Während Sophie Scholl euphorisch in den Bund Deutscher Mädels eintrat, Stauffenberg und die Frauen des 20. Juli noch Hitlers Helfer waren und sich in das NS-System integrierten, wurden Kommunist*innen, Gewerkschafter*innen und Sozialdemokrat*innen schon verfolgt und waren bereits einmal oder mehrfach inhaftiert.

Die Menschen aus der Arbeiterbewegung gehörten zu den ersten politischen Gegnern und auch Opfern des NS – und allein schon deswegen – zu den ersten Widerständigen. Viele von Ihnen waren bereits vor der Machtübergabe in Gegnerschaft zu den Nationalsozialisten. Für organisierte Arbeiter*innen war früh klar, was die Nazis für sie und Deutschland bedeuten konnte. Es ist kein Zufall, dass die Nazis nach dem 30. Januar 1933 zuerst gegen die organisierte Arbeiterschaft vorging.

Bereits im Februar wurde die KPD verboten, im Mai die Gewerkschaften und im Juni auch die SPD. Es kam zu Verhaftungen von Parteimitgliedern und wilden Konzentrationslagern in Berlin für politische Gegner*innen des NS. Nach der Zerschlagung ihrer Organisationen arbeiteten viele Mitglieder illegal weiter. Zu den Verhafteten gehörten auch viele Frauen, wie etwa Maria Heisg (KPD) oder Lore Krüger und Ursula Goetze (KJVD). Viele von Ihnen agierten aufgrund von menschlichen Beziehungen – die aber meistens keine Liebesbeziehungen waren. Das lässt sich zumindest aus den Haftakten schließen. Es wurden zwar viele gemeinsam mit ihren Partnern festgenommen, doch genauso oft erfolgte die Verhaftung mit Geschwistern oder Freund*innen.

Frauen, die in Arbeiterfamilien unter Not und Sorge groß wurden oder auch im kleinen Angestelltenmilieu, die in wohlbeschützten bürgerlichen Verhältnissen aufwuchsen oder auf gräflichen Gütern eine unbeschwerte Jugend verlebten, sie alle haben Widerstand geleistet. In diesem Punkt trafen sie sich. (…) Auschlaggebend waren die menschlichen Beziehungen. Der größte Teil der Frauen leistete einfach humanitären Widerstand, halfen den zumeist Leidenden und am stärksten Gefährdeten, den jüdischen Mitmenschen. Wer den jüdischen Freund, Mann, Geliebten versteckte, tat es aus scheinbar persönlichen Motiven. Aber auch dies konnte man nur, wenn man überhaupt gegen die Nazis war. Wie viele beugten sich dem herrschenden Rassenwahn und trennten sich von ihrem jüdischen Lebenspartner.

Gerda Szepansky, Frauen leisten Widerstand, S. 11f.

Sichtbarmachung und Erinnerung

Wir wollen die vielfältigen Formen des Widerstands von Frauen aufzeigen. Der alltägliche Widerstand, die ganz praktische Unterstützung von politisch Verfolgten, Schutzlosen, fand sehr lange Zeit viel zu wenig Beachtung. Die unterschiedliche Herkunft der Frauen, ihre Biografien, geben Aufschluss über ihre Motivation, sich nicht der breiten Masse der Deutschen angeschlossen zu haben. Ein Teil der Widerstandshandlungen von Frauen wurde weder entdeckt noch verfolgt, weil es sich um Frauen handelte. Im Nachhinein wollten sie kein Aufheben um ihre Person machen, weil sie ihre Handlungen als selbstverständlich wahrnahmen.

Elisabeth von Thadden, Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg, Hanna Solf – viele Frauen des Widerstands sind mittlerweile durchaus sehr bekannt. Besonders nach Sophie Scholl, aus bürgerlich-christlichen Elternhaus, sind quer durchs Land Schulen und Straßen benannt.

Aber gerade die Frauen aus der Arbeiterschaft sind im öffentlichen Gedenken bislang kaum gewürdigt worden. Die Widerstandsleistung der Personen aus dem bürgerlichen, christlichen, adeligen oder militärischen Umfeld soll hier auch anerkannt und nicht geschmälert werden. Es waren aber gerade die Frauen aus der Arbeiterschaft, die Kommunistinnen und Sozialistinnen, die sich schon früh aktiv gegen das Nazi-Regime eingesetzt haben.

1936: Baum-Gruppe, Rote Kapelle | 1937: Bekennende Kirche, Solf-Kreis | 1938: Uhrig-Römer, Freiburger Kreis, Onkel Emil | 1939: Kreis um General Ludwig Beck, Sperr-Kreis | 1940: Kreisauer Kreis; 1941: Neubauer-Posener-Gruppe, Weiße Rose | 1942: Saefkow-Jacob-Bästlein-Organisation | 1943: Nationalkomitee Freies Deutschland,  Europäische Union, Attentat des 20. Juli | 1945: Kampfgruppe Osthafen

Zu den Biografien: A B C D E F G H K L M N O P R S T U V W Z