Elli Fuchs

Elli Fuchs, gesch. Ziegler: Sozialdemokratin, Bibliothekarin

Elli Erna Martha Fuchs wurde am 19. Oktober 1912 in Neukölln geboren und wuchs vermutlich auch dort auf. Über ihre Kindheit und Jugend ist wenig bekannt. Sie besuchte die Volksschule und absolvierte später eine kaufmännische Ausbildung. Elli war schon früh politisch aktiv und engagierte sich in der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) in Neukölln. Bis 1933 arbeitete sie als Bibliothekarin in der Neuköllner Stadtbücherei und war eine Kollegin von Helene Nathan.

Betriebsausflug der Neuköllner Bibliothekarinnen Mitte der 1920er Jahre. Zweite Reihe 1. v. r.: Elli Fuchs. Foto: Museum Neukölln.

Vermutlich Ende der 1920er Jahre lernte Elli ihren zukünftigen Lebensgefährten Erich Ziegler (KPD) kennen. Sie lebten zusammen und heirateten 1935.
Nach der Machtübertragung an die Nazis 1933 wurde Elli im Oktober als „politisch unerwünscht“ aus der Stadtbücherei entlassen und ihre Wohnung mehrfach durchsucht. Um politische und verbotene Literatur zu bewahren und weitergeben zu können, eröffnete Elli 1934 zusammen mit Erich eine Leihbibliothek.
Der Keller der Leihbibliothek wurde ein wichtiger Treffpunkt eines Kreises um Erich und Heinz Kapelle, einem jungen befreundeten Neuköllner Arbeiter, und den Zieglers. Sie diskutierten miteinander, schrieben Flugblätter und verbreiteten sie in Neuköllner Betrieben und Wohngebieten. Unter dem Ladentisch wurden illegale Literatur und Flugblätter weitergegeben. Es bestanden auch Kontakte zur KPD-Leitung in Neukölln unter Gertrud Rosenmeyer. So wurden auch KPD-Schriften im Keller der Leihbibliothek hergestellt und gelagert. Mehrfach wurde die Leihbibliothek von der Gestapo durchsucht.

Elli hielt und vermittelte Kontakte zu früheren Freund*innen aus der SPD und gewann neue Personen für die Widerstandstätigkeit der Gruppe in ihrer Kundschaft.

1939 verbreitete der Kreis um Kapelle und die Zieglers ihr bekanntestes Flugblatt „Ich rufe die Jugend der Welt“, in dem sie das Ende des Kriegs und der NS-Herrschaft forderten. Es endete mit dem Aufruf an die

Berliner Jugend, wehre dich und empöre dich! Setze den Kriegstreibern überall schärfsten Widerstand entgegen!

Berliner Mädels! Auf euch kommt es an. Weigert euch, Munition herzustellen.

Je schneller ihr handelt, desto kürzer ist der Krieg.

Im Oktober flog die Gruppe auf. Im Motorradschuppen von Heinz Kapelle fand die Gestapo das Flugblatt und illegale Bücher mit der Inschrift „Leihbibliothek Ziegler“. Mitte Oktober 1939 wurden Elli und Erich in ihrem Laden verhaftet, bei ihnen fand sich auch illegales Material. Im Prozess gegen die Mitglieder der Gruppe um Heinz Kapelle übernahm dieser die volle Verantwortung für die Flugblätter und rettete so das Leben der Zieglers. Er wurde wegen Rädelsführerschaft zum Tode verurteilt und am 1. Juli 1941 ermordet. Erich erhielt 10 Jahre Zuchthaus, Elli drei Jahre, die sie im Frauenzuchthaus Cottbus verbringen musste. Nach Ablauf der Haftzeit 1943 wurde sie nicht entlassen, sondern ins Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück überstellt und blieb dort bis zur Befreiung Ende April 1945. Sie musste Zwangsarbeit in der KZ-Weberei leisten und hatte Kontakte zu anderen politischen Häftlingen wie Sophie Sieg. Die KZ-Wärterinnen beschrieb sie nach 1945 als äußerst gewaltvoll.

Elli kehrte nach der Befreiung nach Neukölln zurück und arbeitete ab 1945 wieder als Bibliothekarin in der Stadtbibliothek. Ab spätestens 1954 führte sie wieder einen Bücherverleih in Neukölln. Die Ehe von Erich und Elli wurde 1947 geschieden, ab 1951 trug sie ihren Mädchennamen Fuchs. Erich berichtete später gegenüber seinem Sohn, dass er sich bereits vor der Haft getrennt hat, weil er wegen seiner hohen Haftstrafe keine Zukunft sah. Mehr über ihren weiteren Werdegang ist bisher nicht bekannt. Ihr Ex-Mann Erich war später in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und der Sozialistischen Einheitspartei (SEW) in West-Berlin aktiv und äußerte sich mehrfach als Zeitzeuge.

Auf der Eheurkunde von Elli und Erich wurde 2013 handschriftlich notiert, dass Elli am 22. Dezember 2012 mit 100 Jahren in Neukölln verstorben ist.

Gedenken

Offiziell gibt es keine Erinnerung an Elli Fuchs. Eine Leihbibliothek in Neukölln ist ihr gewidmet. Bei der Eröffnung war vermutlich nicht bekannt, dass sie noch gelebt hat.

  • Landesarchiv Berlin: OdF-Akte Elli Fuchs, C Rep 118 01 Nr. 34844
  • Landesarchiv Berlin: Eheurkunde von Elli und Erich Ziegler von 1935
  • Häftlingsdatei von Elli Ziegler in Ravensbrück
  • Claudia von Gélieu: Wegweisende Neuköllnerinnen
  • Hans-Rainer Sandvoß: Widerstand in Neukölln
  • VVN Westberlin: Antifaschistischer Stadtplan Neukölln
  • Karl-Heinz Jahnke: Ermordet und ausgelöscht. Zwölf deutsche Antifaschisten
  • Klaus Dieter Heiser: Erinnern heißt: Nein zum Krieg!