Judith Auer, geb. Vallentin
19. September 1905 in Zürich, 27. Oktober 1944 in Berlin-Plötzensee
Stenotypistin, Kommunistin, als „Halbjüdin“ verfolgt
Judith Vallentin wurde in Zürich geboren, wuchs aber mit ihren drei jüngeren Geschwistern in Berlin auf. Ihre Eltern standen hier Sozialist:inen wie Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht nahe, die Kinder von Liebknecht gehörten zu Kindheitsfreund:innen von Judith und ihren Geschwistern.
Nach dem frühen Tod der Eltern 1917 und 1918 wuchs Judith mit ihrer Schwester Margarete „Ruth“ Vallentin bei Freunden der Eltern auf, die ihr auch das Abitur ermöglichten. Weil sie Pianistin werden wollte, begann sie anschließend ein Musikstudium in Leipzig und Berlin, musste dieses aber 1926 aus finanziellen Gründen abbrechen. 1924 trat sie in den Kommunistischen Jugendverband ein und leitete ab 1925 eine Bezirksgruppe. Mit ihrer Schwester lebte sie von 1925 bis 1928 im Wedding, anschließend in Treptow-Köpenick, 1926 heiratete sie Erich Auer, den sie im KJVD kennengelernt hatte. Seit Ende der 1920er arbeitete Judith Auer nach dem Abschluss eines Schreibmaschinenkurses als Stenotypistin in einem kommunistischen Betrieb, 1928 mit ihrem Mann für ein Jahr im Büro der kommunistischen Jugendinternationale in Moskau. Nach der Rückkehr nach Berlin wurde 1929 die gemeinsame Tochter Ruth geboren, die Ehe später geschieden und Judith Auer alleinerziehend.
Nach den nationalsozialistischen Nürnberger Rassegesetzten galt Auer als „Halbjüdin“, engagierte sich aber trotz der Gefahr im Widerstand. Ab 1937 arbeitete sie als Einkäuferin im Kabelwerk Oberspree in Schöneweide und engagierte sich in der Betriebsgruppe bei der Sammlung von Informationen und unterstützte politisch Verfolgte. Ihre Geschäftsreisen nutzte Auer für Kurierdienste und Kontaktaufbau zu Widerstandsgruppen in anderen Städten. Eng befreundet war sie seit langem mit Aenne Saefkow, die sie Anfang der 1940er Jahre in die Tätigkeiten der Gruppe um sie und ihren Mann einbezog. Auer unterstützte beim Sammeln und Verwalten von Geld, Lebensmitteln und Bezugskarten. Geschäftsreisen nutzte sie unter dem Decknamen „Suse“ für den Kontaktaufbau zu Widerstandsgruppen in Thüringen und Kurierdienste. Sie übermittelte geheime Informationen und Flugblätter. Ihr Haus stellte sie für geheime Treffen und als Versteck für politisch Verfolgte, darunter Franz Jacob, zur Verfügung. Auer vermittelte über Ferdinand Thomas Anton Saefkow den Kontakt zu Julius Leber. Auers Tochter Ruth nahm ebenfalls an Treffen teil und bildete mit Kindern anderer Widerstandskämpfer:innen aus der Gruppe, darunter Edith Weiß, Aenne Saefkows Tochter aus erster Ehe, eine Jugendwiderstandsgruppe.
Nach dem Auffliegen der Gruppe durch einen Spitzel in der Gruppe um Saefkow im Juli 1944 wurde auch Judith Auer verhaftet. Sie wurde vor der drohenden Verhaftung gewarnt, tauchte aber wohl nicht unter, weil sie keinen Unterschlupf für ihre Tochter Ruth hatte. Bevor sie am 7. Juli 1944 verhaftet wurde, warnte Auer andere Gruppenmitglieder vor der Verhaftung. Anfang September 1944 wurde Judith Auer vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 27. Oktober 1944 im Strafgefängnis Plötzensee ermordet.
Ruth Auer überlebte die NS-Zeit versteckt, unter anderem bei ihrer Tante Gabriele Vallentin.
Gedenken
Seit 1964 erinnert ein Gedenkstein in Bohnsdorf an ermordete Widerstandskämpfer:innen, darunter Judith Auer. Am ehemaligen Standort des Kabelwerk Oberspree erinnert ebenfalls ein Gedenkstein an ermordete Widerstandskämpfer:innen, darunter Judith Auer. In Lichtenberg trägt eine Straße ihren Namen.
- Ruth Hortzschansky & Hortzschansky: Möge alles Schmerzliche nicht umsonst gewesen sein. Vom Leben und Tod der Antifaschistin Judith Auer. Trafo Verlag, Berlin 2004.
- Ursel Hochmuth: Illegale KPD und Bewegung „Freies Deutschland“ in Berlin und Brandenburg 1942–1945. Biographien und Zeugnisse aus der Widerstandsorganisation um Saefkow, Jacob und Bästlein.
- Luise Kraushaar: Deutsche Widerstandskämpfer 1933 bis 1945. Biographien und Briefe. Band 1. Karl Dietz Verlag, Ost-Berlin 1970.
- Antje Dertinger: Heldentöchter. Verlag J.H.W. Dietz Nachf., Bonn 1997, Kapitel „Und dann habe ich mir vorgestellt: Sie lebt noch, aber sie ist weit weg“ Ruth Hrotzschansky – ein Kind des kommunistischen Widerstandes, S. 34–52.
- Ruth Cidor-Citroën: Vom Bauhaus nach Jerusalem. Metropol Verlag, Berlin 2004.
- Annette Neumann, Bärbel Schindler-Saefkow: Berliner Arbeiterwiderstand 1942–1945. „Weg mit Hitler – Schluß mit dem Krieg!“ – Die Saefkow-Jacob-Bästlein-Organisation. VVN-BdA, Berlin 2009.
- Heinrich-Wilhelm Wöhrmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Bd. 9 der Schriftenreihe über den Widerstand in Berlin von 1933 bis 1945. Hrsg. Gedenkstätte Deutscher Widerstand. (Berlin) 1995.
- VVN-BdA: Ehrenbuch der Opfer von Berlin-Plötzensee. Zum Gedenken der 1574 Frauen und Männer, die wegen ihrer politischen oder weltanschaulichen Einstellung und wegen ihres mutigen Widerstandes gegen das faschistische Barbarentum in der Strafanstalt Berlin-Plötzensee von 1933 bis 1945 hingerichtet wurden. Berlin 1974.
- Judith Auer in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand:
- Kurzbiografie über Judith Auer auf der Seite der VVN-BdA Köpenick
- Judith Auer in der Gedenkstätte Plötzensee
- Judith Auer im Museum Lichtenberg
- Judith Auer in der Ausstellung „Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ der Gedenkstätte Deutscher Widerstand