Margarete Becker, geb. Vogel
Jungsozialistin
24. März 1915 in Berlin-Steglitz – 2006
Margarete Vogel stammte aus kleinbürgerlichen Verhältnissen und lebte in Steglitz. An der Oberschule, die mehrheitlich höhere Töchter besuchten, war sie mit sozialer Ungerechtigkeit konfrontiert, an der Höheren Handelsschule wurde sie von sozialdemokratischen Lehrer:innen über wirtschaftliche Zusammenhänge aufgeklärt. Ab 1933 arbeitete sie als Sekretärin in einem Anwaltsbüro. Am 7. Februar 1933 trat sie aus Empörung darüber, dass Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt worden war, in die sozialistische Arbeiterjugend ein. Deren größere Zusammenkünfte wurden als Ausflüge getarnt. Ein Treffen von 500 SAJ-Mitgliedern in der Nähe des brandenburgischen Königs Wusterhausen 1936 hatte Becker mitorganisiert. Sie arbeitete außerdem im rätekommunistischen Geheimbund „Rote Kämpfer“ mit, der sich vor 1933 gegründet hatte, um die Spaltung in SPD und KPD sowie den Aufstieg der Faschisten aufzuhalten, und sich danach im Widerstand engagierte. Becker tippte Schriften ab und arbeitete als Sekretärin für einen der Leiter, später leitete sie die Gruppe selbst. Ab November 1936 wurde die Gruppe zerschlagen und viele ihrer Mitglieder in Konzentrationslager oder Zuchthäuser verschleppt. Becker wurde in der Wohnung ihrer Eltern verhaftet. Weil ihre Mutter Ella Vogel illegales Material rechtzeitig beiseitegeschafft hatte, und alle Mitverhafteten schwiegen, kam sie nach einem Jahr in Untersuchungshaft beim Prozess glimpflich davon und wurde gleich darauf aus dem Gefängnis entlassen. Bis zur Befreiung musste sie sich wöchentlich bei der Polizei melden, womit jedes Mal die Angst verbunden war, ins KZ eingeliefert zu werden. 1945 gab es in Steglitz zum „Kampftag der Arbeiterbewegung“ Beckers Erinnerungen zufolge bereits wieder eine kleine Demonstration, an der sie teilnahm.
Frei fühlte ich mich erst, als ich im Frühjahr 1945 auf dem Weg zur Wasserstelle einen russischen Soldaten sah. Das muss Ende April gewesen sein. Denn ich erinnere mich, zum 1. Mai wehten schon rote Fahnen in Steglitz.
Margarete Becker in einem Zeitzeuginnengespräch mit Claudia von Gélieu am 12.5.1992
Als Mitarbeiterin des Berliner Entschädigungsamts war Becker nach Ende des Kriegs zuständig für den Antrag des Sohns der Widerstandskämpferin Lieselotte „Lilo“ Herrmann (1909-1938). Die Steglitzerin war 1938 als eine der ersten Frauen hingerichtet worden, weil sie Informationen über die Kriegsvorbereitungen der Nazis gesammelt und weitergegeben hatte. Da Herrmann Kommunistin war, musste Becker Ende der 1950er Jahre die Entschädigung des Sohnes Walter auf persönliche Anweisung des damaligen sozialdemokratischen Innensenators Joachim Lipschitz ablehnen.
- Hans-Rainer Sandvoß: Widerstand in Steglitz und Zehlendorf. Berlin 1986
- Zeitzeuginnengespräch mit Claudia von Gélieu am 12.5.1992
- BVVdN (Hrsg.): Widerstand in Berlin 1933-1945 (digital)