Rosemarie Terwiel

Rosemarie „Maria“ Terwiel: Katholikin mit jüdischer Familie, Jurastudentin, Teil des Widerstandsnetzwerk „Rote Kapelle“

7. Juni 1910 in Boppard am Rhein – 5. August 1943 in Berlin-Plötzensee

Maria Terwiel stammte aus einer bürgerlichen Familie und wollte wie ihr Vater, Johannes Terwiel, Juristin werden. Der überzeugte Katholik und Sozialdemokrat arbeitete als hoher Verwaltungsbeamter, was häufige Umzüge der Familie nach sich zog. Ihre Mutter Rosa war Jüdin, trat aber kurz vor der Hochzeit 1909 zur katholischen Kirche über. Maria wurde wie ihre jüngeren Geschwister Gerd und Ursula im katholischen Glauben erzogen.

1931 legte Maria Terwiel ihr Abitur in Stettin ab, begann ein Jurastudium in Freiburg, das sie in München weiterführte. In Freiburg lernte sie ihren zukünftigen Verlobten, den Zahnmedizinstudenten Helmut Himpel kennen.

Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten wurde auch Maria Terwiel wegen ihrer jüdischen Herkunft zunehmend ausgegrenzt. Nach den Nürnberger Rassegesetzen 1935 galt sie als „Halbjüdin“, dadurch war sie gezwungen, ihr Studium abzubrechen, weil sie keine Chance auf einen Referendariatsplatz hatte und somit ihr Studium nicht abschließen konnte.

Ihre Dissertation „Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, insbesondere die Pfandklausel“ lag schon zur Abgabe bereit. Sie ging 1935 nach Berlin-Wilmersdorf zu ihrer Familie, die dort bereits seit der Zwangspensionierung ihres Vaters 1933 aufgrund seiner Mitgliedschaft in der SPD lebte. Bis 1942 arbeitete die junge Juristin, der lediglich die Examen fehlten, offiziell als Sekretärin für ein französisch-schweizerisches Textilunternehmen.

Ab 1940 lebte Maria mit ihrem Verlobten Helmut Himpel zusammen. Sie durften nicht heiraten, da Ehen zwischen „Ariern“ und „Halbjüdinnen“ von den Nationalsozialisten verboten wurden. Zusammen unterstützten sie verfolgte Jüdinnen und Juden durch die Beschaffung von Lebensmittelkarten und Personalpapieren. Hans Himpel behandelte als Zahnarzt kostenlos mittellose Patient*innen.

1939/1940 lernte das Paar John Graudenz und Harro Schulze-Boysen kennen, die sie in die Aktivitäten der Roten Kapelle einbezogen. Maria Terwiel beteiligte sich an der Herstellung und Verbreitung illegaler Schriften. So vervielfältigte sie im Sommer 1941 auf ihrer Schreibmaschine die Schriften des Kardinal von Galen aus Münster zur Aufklärung über die Euthanasie-Morde der Nationalsozialisten. Sie brachte die Informationen in Berlin in Umlauf und versandte sie auch an Soldaten an der Front.

Im Mai 1942 beteiligte Maria sich an der „Klebezettelaktion“ der Roten Kapelle, die sich gegen die nationalsozialistische Propaganda-Ausstellung „Das Sowjetparadies“ richtete. Mit Fritz Thiel getarnt als Paar verklebte sie die Zettel mit der Aufschrift „Krieg – Hunger – Lüge – Gestapo. Wie lange noch?“ am Kurfürstendamm in Berlin. Nach der Aufdeckung der Gruppe durch einen von den Nationalsozialisten abgefangenen Funkspruch mit der Adresse Schulze-Boysens geriet auch Maria Terwiel ins Visier der Gestapo.

Wenige Tage vor ihrer Verhaftung am 17. September in der Wohnung in der Lietzenburger Straße nahm sie ein Funkgerät von Fritz Thiel entgegen, das Helmut in Sicherheit brachte. Nach ihrer Verhaftung wurde Maria Terwiel zunächst ins Polizeipräsidium am Alexanderplatz gebracht und dort verhört. Während der Verhöre und der anschließenden Haft wurde sie schwer misshandelt. Im Januar 1943 wurde Maria Terwiel vom Reichskriegsgericht wegen Landesverrat zum Tode verurteilt, ein Gnadengesuch wurde von Adolf Hitler abgelehnt.

Nach der Ermordung ihres Verlobten Helmut am 13. Mai 1943 unternahm Maria Terwiel einen Selbstmordversuch, sprach danach anderen Häftlingen Mut zu und beriet sie zum Verhalten gegenüber der Gestapo und dem Reichskriegsgericht.

In ihrem Abschiedsbrief an ihre Geschwister bat Maria sie, die Mutter vor dem harten Schicksal der Tochter zu schonen und einen Flugzeugabsturz vorzugeben, bei dem sie mit Helmut Himpel ums Leben kamen.

Kurz vor ihrer Ermordung schrieb Maria ein Gedicht über ihre drei polnischen Mithäftlinge:

„Es lebten drei Polenkinder immer fröhlich und vergnügt in Zelle Nr.18 Berlin Alt-Moabit. Vom Schicksal zusammengetragen. Fern von Heimat und Elternhaus. Man hörte sie niemals klagen.

Sie hielten tapfer aus. Sie liebten mit heißem Herzen ihr geknechtetes Vaterland und erlebten mit tausend Schmerzen des grausamen Siegers Hand. Sie dienten der polnischen Erde und taten ihr Bestes geben.

Dann wurden sie alle gefangen. Nun forderte man ihr Leben!

Doch lebten sie frei und heiter. Das Schicksal bezwang sie nicht. Vielleicht geht das Leben doch weiter!

Kleinkriegen tun sie uns nicht. Und Olga wurde begnadigt. der Jubel war grenzenlos. Sie dankten Gott auf den Knien. Denn seine Liebe ist groß.

Doch eine musste sterben. Die kleine Monika. Die überzeugt von allen. Dass nahe die Freiheit war. (…) Es ist so still geworden. Wo früher viel Lachen erklang. Wo man die Polka stampfte mit Jubel und Gesang. Auch Olga wird bald scheiden. Dann wartet Christina allein!

Du lieber Gott. Schenk ihr das Leben. Ewig wollt ich Dir dankbar sein.“

Mit 12 weiteren Frauen der Roten Kapelle wurde Maria Terwiel in der NS-Hinrichtungsstätte Plötzensee mit 33 Jahren ermordet. Von der Familie Terwiel überlebte nur die jüngere Schwester Ursula. Ihr Vater Johannes starb 1942 an Krebs. Mutter Rosa und Bruder Gerd kamen 1944 bei einem Bombenangriff ums Leben.

Gedenken

  • Terwielsteig in Berlin-Charlottenburg
  • Gedenktafel in Berlin-Mitte, Bebelplatz, St. Hedwigs-Kathedrale
  • Stele in Berlin-Mitte, Unter den Linden 5, Innenhof der Humboldt-Universität Berlin
  • BVVdN (Hrsg.): Widerstand in Berlin
  • Heinrich-Wilhelm Wöhrmann: Widerstand in Schöneberg und Tempelhof
  • Hans-Rainer Sandvoß: Widerstand in Friedrichshain und Lichtenberg
  • Luise Kraushaar: Deutsche Widerstandskämpfer 1933-1945. Biographien und Briefe.
  • Biografie auf der Website der Gedenkstätte Deutscher Widerstand
  • Johannes Tuchel: Frauen im Widerstand
  • Ancestry: Gerd und RoseMaria Terwiel
  • Hans Coppi/Jürgen Danyel/Johannes Tuchel (Hrsg.): Die Rote Kapelle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus