Ursula Goetze

Studentin, Jungkommunistin, Widerstandskämpferin der Roten Kapelle

29. März 1916 in Berlin, 4. August 1943 in Plötzensee

Ursula Goetze in den 1930er Jahren. Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Ursula Goetze stammte aus einem bürgerlich-evangelischen Elternhaus. Bereits als Jugendliche entwickelte Ursula ein ausgeprägtes Unrechtsbewusstsein und beobachtete die Zuspitzung der sozial-wirtschaftlichen Not Ende der 1920er Jahre mit großer Sorge. Anfang der 1930er Jahre kam sie – vermutlich über ihren älteren Bruder Eberhard – mit dem Kommunistischen Jugendverband (KJVD) in Neukölln um Gertrud und Anna Rosenmeyer in Kontakt. Schon vor 1933 beteiligte sie sich an Antifaschistischen Aktionen und in der Internationalen Arbeiterhilfe (IAH). Nach 1933 bleib sie für den nun illegalen KJVD aktiv und wurde im Frühjahr 1933 erstmals kurzzeitig verhaftet.

1935 begann sie als Kurierin von geheimen Schriften über die Deutsch-Tschechische Grenze, getarnt als Skisportlerin. Während ihrer Zeit am Heilschen Gymynasium, an dem sie ab 1938 ihr Abitur nachholte, lernte sie weitere Gleichgesinnte kennen, darunter Liane Berkowitz und Eva Rittmeister, fortan Ursulas engste Vertraute und die einzige der Schulfreundinnen, die die NS-Zeit überlebte. In Zeitzeuginneninterviews beschrieb Eva Rittmeister Ursula Goetze neben ihrem Mann als treibende Kraft hinter der Gruppe.

In diesem Gesprächskreis besprachen sie illegale politische Schriften und hörten, ebenfalls illegal, ausländische Rundfunksendungen um sich und andere zu bilden. Spätestens ab 1939 gehörte Ursula Goetze fest zu diesem Kreis um Eva und John Rittmeister und machte diesen mit ihren Neuköllner Freund*innen bekannt. Der Kreis unterstützte auch jüdische Verfolgte und ihre Familien durch Geld- und Lebensmittelsammlungen.

Anfang der 1940er kam sie über John und Eva Rittmeister in Kontakt mit dem Widerstandsnetzwerk Rote Kapelle. Von Beginn an war Ursula Goetze in die Aktivitäten der „Roten Kapelle“ eingebunden. Sie übersetzte Flugblätter ins Französische und hielt Kontakt zu französischen Zwangsarbeiterinnen und verteilte Flugblätter. Auch an vielen Diskussionen war sie beteiligt.

Mehrfach fanden auch Treffen in ihrer Wohnung in Kreuzberg statt, die sie fast allein bewohnte. Hier diskutierten sie, hörten ausländische Radiosendungen, schrieben Flugblätter. An der Klebezettelaktion gegen die NS-Propaganda-Ausstellung „Das Sowjetparadies im Mai 1942 beteiligte sich Ursula Goetze. Mit Werner Krauss klebte sie die Zettel mit der Aufschrift „Ständige Ausstellung. Das Naziparadies. Krieg – Hunger – Lüge – Gestapo. Wie lange noch“ am Sachsendamm in Tempelhof. Ihre Freundinnen Anna Rathmann und Gertrud Rosenmeyer rieten ihr vorab aus konspirativen Gründen ab.

Nach dem Aufdecken der Gruppe im Spätsommer 1942 durch die Enttarnung von Harro Schulze-Boysen durch einen von den Nazis abgefangenen und entschlüsselten sowjetischen Funkspruch wurde auch Ursula Goetze im Oktober 1942 verhaftet und im Januar 1943 wegen „Hochverrat und Spionage für die Sowjetunion“ vom Reichskriegsgericht unter Manfred Roeder zum Tode verurteilt. Bis zur Vollstreckung des Urteils wurde sie in verschiedenen Berliner Gefängnissen inhaftiert, zuletzt im Frauengefängnis Barnimstraße. Ihr Gnadengesuch wurde wie alle Gnadengesuche der Mitglieder der Roten Kapelle von Hitler persönlich abgelehnt. Mit zwölf weiteren Frauen und drei Männern wurde Ursula Goetze am Abend des 5. August 1943 in Berlin-Plötzensee mit dem Fallbeil ermordet.

Ursula Goetze schrieb vor ihrer Ermordung einen Abschiedsbrief an ihre Eltern:

Ich stehe heute vor meiner letzten Reise, die wir alle einmal antreten müssen. Ich könnte mir denken, der Gedanke an die lange Zeit der Haft (…) schmerze Euch besonders, und deswegen will ich Euch darüber noch berichten. Ich schrieb schon einmal, Leid vertiefe, aber in welchem Maße, hätte ich nicht für möglich gehalten. Ich war so empfänglich geworden für alles Große und Schöne auf Erden (…). Erst in der letzten Zeit waren mir die Worte Lessings klargeworden: ‚Ich würde nach dem Streben nach Erkenntnis greifen und nicht nach der Erkenntnis selbst‘ Ich (…) hätte künftig mehr Vertrauen zu mir selbst gehabt und hätte das Leben schon gemeistert. (…) Es war eigenartig, wie gerade erst nach dem Urteil alle Vitalität bei mir durchgebrochen war und ich auch das mir noch verbleibende Leben bewußt lebte (…). Es wäre mir eine große Beruhigung, wenn ich hoffen dürfte, daß auch Ihr, meine lieben Eltern, Euch über die Dinge stellen und die Lücke, (…) mit Neuem, Schönem ausfüllen könntet.

Erika Rathmann, die Tochter ihrer Freundin Anna Rathmann, berichtete 2020 über Ursula Goetze:

Sie gehörte zu den vielen jungen Frauen, die in dieser Organisation, in dieser Struktur tätig waren. Sie lebte von 1916 bis 1943, also ein relativ kurzes Leben. Ich möchte darauf hinweisen, dass ich zu ihr, zu ihrer Familie, eine besondere Beziehung habe. Sie war eine gute Freundin meiner Eltern und der Schwester meiner Mutter. Ich bin 1936 geboren, als Ursula verhaftet wurde, da war ich so 6 Jahre alt. Ich habe sie selbst als Kind noch kennengelernt und kann mich noch schwach an sie erinnern als eine freundliche, dunkelhaarige junge Frau, die mit mir gespielt hat, sich mit mir abgegeben hat. Ich kannte natürlich auch ihre Eltern, vor allem ihre Mutter die sehr alt geworden ist, eine ganz bezaubernde alte Dame, die aber bis an ihr Lebensende den Tod ihrer Tochter nicht verwunden hat.

Gedenken

In Karlshorst ist eine Straße nach Ursula Goetze benannt. Vor ihrem Haus erinnert seit 1987 eine Gedenktafel an sie. Ihr Name steht auf der Gedenktafel für Opfer des Faschismus, die heute wieder im Kreuzberger Rathaus hängt. In einem Stadtplan von 1946 ist die Hornstraße, in der sie lebte, als Ursula-Goetze-Straße verzeichnet. Die Bennenung wurde nicht umgesetzt.

Gedenktafel für Ursula Goetze am Haus Hornstraße 3 in Kreuzberg. Trille Schünke

  • Luise Kraushaar et al.: Deutsche Widerstandskämpfer 1933–1945. Biografien und Briefe. Band 1. Ost-Berlin 1970
  • BVVdN (Hrsg.): Widerstand in Berlin 1933-1945 (Digital)
  • Hans-Rainer Sandvoß: Widerstand in Kreuzberg. Berlin 1998
  • Berliner VVN-BdA: Antifaschistischer Stadtplan Kreuzberg. West-Berlin 1987
  • Hans Coppi, Jürgen Danyel, Johannes Tuchel (Hrsg.): Die Rote Kapelle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Berlin 1994
  • Johannes Tuchel: „… wenn man bedenkt, wie jung wir sind, so kann man nicht an den Tod glauben.“ Liane Berkowitz, Friedrich Rehmer und die Widerstandsaktionen der Berliner Roten Kapelle. Berlin 2022
  • Ursula Goetze in der Ausstellung Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand
  • Ursula Goetze im Totenbuch von Plötzensee