Walli "Wally" Grodka, geb. Roßbach
18. Mai 1908 in Berlin - unbekannt
Frauenproteste in der Rosenstraße
Über Walli Roßbachs Kindheit und Jugend wissen wir bisher nichts. Im Juni 1935 heiratete sie, trotz heftigster Anfeindung und Ablehnung der eigenen Familie, Günther Grodka (1912-1987), jüdischer Herkunft und bis 1933 Leiter des Charlottenburger Jungbanners, der Jugendorganisation des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, einer 1924 gegründeten parteiübergreifenden Wehrorganisation zum Schutz der Demokratie. Spätestens seit 1933 waren sie ein Paar. Im gleichen Jahr waren sie für den nun illegalen Reichsbanner tätig, unterstützten andere verfolgte Jüdinnen und Juden, besonders Günthers Familie. Schon nach der Verlobung 1934 wurde Walli von den Nazis vor die Ortsgruppe zitiert und bedroht. Später wurde sie ständig denunziert und in der Nachbarschaft beschimpft.
Vor den Novemberpogromen erhielten die Grodkas die Warnung über eine mögliche Verhaftung.
Die bemittelten Juden wurden zunächst in ,Schutzhaft‘ genommen. Obwohl wir nicht dazu gehörten, warnte man uns. Tage- und nächtelang waren wir nicht zu Hause. Planlos liefen wir durch den Grunewald. Müde, verzweifelt und frierend fanden wir uns im Morgengrauen in der Milchbar Augsburgerstraße ein, wo wir noch einige Schicksalsgenossen trafen. Mit hochgeschlagenen Kragen schlichen die Ärmsten an den Häusern entlang, für einige Augenblicke machten sie gleich uns Rast, um verstohlen eine Tasse heißen Kaffee zu trinken. Vorsichtig begab ich mich für kurze Zeit in die Wohnung, ob alles in Ordnung sei, um meinem Mann Bericht zu erstatten. Des planlosen Laufens müde unternahmen wir den Versuch zu Bekannten zu gehen, was kläglich scheiterte, da sich diese beobachtet fühlten und meinten, es wäre zu gefährlich, jetzt ,Juden bei sich zu haben‘. So war es schon 1938
Walli Grodka 1947 in ihren Lebenserinnerungen
1940 bekamen Willi und Günther die Zwillinge Irene und Manfred, die jedoch nur wenige Tage wegen fehlender Versorgung überlebten. 1941 bekamen sie den Sohn Rainer, den sie evangelisch tauften. Nach Beginn der Deportation von Berliner Jüdinnen und Juden im Oktober 1941, halfen die Grodkas – Günther war durch die „Mischehe“ relativ geschützt –den davon bedrohten Menschen. Sie fertigten unter anderem unzählige Rucksäcke an, da Jüdinnen und Juden bei der Deportation ausschließlich Handgepäck mit sich führen durften. Sie begleiteten auch jüdische Nachbarn zum Sammellager Levetzowstraße in Moabit, bis ihnen durch die Gestapo gedroht wurde, selbst mitgenommen zu werden.
Günther wurde im Juni 1943 zuhause verhaftet und ins Sammellager Große Hamburger Straße gebracht.
Der Abschied war so, dass ich ihn nicht beschreiben kann. Am Montag erhalte ich die Nachricht, dass mein Mann in der Großen Hamburger Straße ist. Ich fahre sofort dorthin. Den Bub im Wagen gehe ich mit vielen anderen Frauen immer auf und ab; wir werden auseinandergetrieben. Doch wenige Minuten später sammeln wir uns wieder vor dem Eingang.
Walli Grodka in ihren Lebenserinnerungen 1947 über die Frauenproteste in der Berliner Rosenstraße
Mit vielen anderen, deren Ehepartner ebenfalls dort inhaftiert waren, protestierte Wally für die Freilassung – nach quälend langen Tagen mit Erfolg. Kurz darauf wurde auch Günther freigelassen.
Beide überlebten die NS-Zeit. 1947 schrieb Walli ihre Erinnerungen auf. Wann sie gestorben ist, ist uns bisher unbekannt.
- Heinrich-Wilhelm Wöhrmann: Widerstand in Charlottenburg
- Todesurkunde von Irene Grodka vom 12. Februar 1940
- Todesurkunde von Manfred Grodka vom 9. Februar 1940
- Heiratsurkunde der Grodkas vom 6. Juni 1935
- Geschichte des Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold