Baum-Kochmann-Gruppe

Die jüdisch-kommunistische Widerstandsgruppe um die Ehepaare Baum und Kochmann

Im Zusammenhang mit dem Brandanschlag auf die antikommunistische Ausstellung im Berliner Lustgarten auf den Tag genau 3 Monate zuvor, wurden am 18. August 1942 neun Personen aus dem Umfeld der jüdisch-kommunistischen Widerstandsgruppe um Marianne und Herbert Baum und Sala und Martin-Kochmann in der NS-Hinrichtungsstätte Berlin-Plötzensee von den Nazis ermordet. Darunter waren Marianne Baum (*1912), Suzanne Wesse (*1914), Sala Kochmann (*1912), Irene Walther (*1919), Hildegard Jadamowitz (*1916) sowie Gerd Meyer (*1919), Hans-Georg Mannaberg (*1912), Heinz Joachim (*1919) und Werner Steinbrinck (*1917).

Die Gruppe bestand aus mehreren Freundeskreisen und war eine der größten jüdischen Widerstandsnetzwerke in Deutschland. Insgesamt werden der Gruppe etwa 100 überwiegend junge jüdische Widerständige aus politisch unterschiedlichen Kreisen zugeordnet. Das Durchschnittsalter lag bei 22 Jahren. Obwohl sie seit 1933 im Widerstand aktiv waren, wurden viele von ihnen lange Zeit vergessen, darunter auch viele Frauen.

Sala Kochmann

Aufgrund der unzureichenden Forschungslage zur Baum-Gruppe wird fälschlicherweise meist angenommen, Herbert Baum sei der Initiator und eine Art Leiter der Gruppe gewesen. Die Quellen zeigen jedoch, dass dem nicht so war. Er, seine Frau Marianne sowie Sala und Martin Kochmann haben die Gruppe gemeinsam begründet. Es war eher ein loses Bündnis von jungen Freunden, als eine hierarchisch organisierte Gruppe.

Ursprünge der Gruppe im KJVD

Die Wurzeln der Gruppe liegen im Kommunistischen Jugendverband (KJVD) im Südosten Berlins, dem sowohl Marianne als auch Herbert Baum seit Ende der 1920er Jahre über Mariannes Bruder nahestanden, ebenso wie Sala und Martin Kochmann, die Schwestern Hildegard und Beatrice Jadamowitz und Irene Walther. Martin Kochmann und Herbert Baum kannten sich schon aus ihrer gemeinsamen Schulzeit und jüdischen Jugendorganisationen in den 1920er Jahren.

Kurz nach der Machtübertragung bemühten sie sich, die schon vorhandenen Kontakte zu anderen Jugendverbänden wie der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) und jüdischen Jugendgruppen wie Hashomair Hatzair aufrechtzuerhalten und auszubauen. Sie trafen sich zu Diskussionen und stellten illegale Flugblätter und Zeitungen her, vervielfältigten und verbreiteten sie in der Bevölkerung.

KJV-Gruppe Berlin-Neukölln: Herbert und Marianne Baum, zweite Reihe von unten links

Zusammensetzung und Ausgrenzung

Bedingt durch die Verfolgung durch die Nationalsozialisten und deren Ausgrenzungsgesetzen – über 2000 anti-jüdische Gesetze und Ergänzungen, die das Leben immer weiter einschränkten – veränderte sich die Zusammensetzung der Gruppe bis 1942 laufend. Jüdinnen und Juden wurden immer mehr aus dem öffentlichen Leben zurückgedrängt und unterlagen zunehmend Repressionen. Ab 1941 mussten sie Zwangsarbeit in Berliner Betrieben leisten, Marianne und Herbert Baum im Berliner ELMO-Werk in Spandau.

Nach der Zerschlagung des KJVD Südost entschied die KPD-Leitung, die Zusammenarbeit mit Jüdinnen und Juden aufgrund der Verfolgung zukünftig einzuschränken. Nach Beginn des 2. Weltkrieges 1939 gelang es ihnen, trotz ihrer isolierten Situation, Kontakte zu anderen Widerstandsnetzwerken aufzubauen, so zum Kreis um Robert Uhrig und Josef Römer sowie zur „Roten Kapelle“.

In den Betrieben knüpften sie Kontakte zu französischen Zwangsarbeitenden. Sie tauschten Informationen über den Kriegsverlauf aus und zeigten ihnen Möglichkeiten der Sabotage. Suzanne Wesse, eine geborene Französin und eine der wenigen nicht-jüdischen Personen der Gruppe, übersetzte Flugschriften für die französischen Zwangsarbeitenden, die wiederum Ausweispapiere für die jüdischen Mitglieder zur Verfügung stellten. So hatten sie die Möglichkeit, sich ohne den verpflichtenden Davidstern in der Öffentlichkeit zu bewegen.

Aufsehend erregendste Aktion: Brandanschlag auf „Das Sowjetparadies"

Am 8. Mai 1942 eröffnete im Berliner Lustgarten die antisowjetische Propaganda-Ausstellung „Das Sowjetparadies“. Die Ausstellung wurde Anfang April 1942 in der Nazi-Zeitung „Völkischer Beobachter“ mit der Überschrift „Die Hölle des Sowjetparadieses“ bekannt gemacht. Nach der Eröffnung strömten tausende Berliner*innen euphorisch in die Ausstellung. NS-Massenorganisationen, unter anderem die Hitlerjugend, der Bund Deutscher Mädel und NS-Frauenorganisationen und auch Schulen wurden gezielt aufgefordert, die Ausstellung zu besuchen.

Auch mehrere Widerständige, darunter Personen der Roten Kapelle und der Gruppe um die Baums und Kochmanns, besuchten die Ausstellung. Sie waren entsetzt über die Darstellung der sowjetischen Bevölkerung als Untermenschen zur Rechtfertigung des Krieges und entschlossen sich unabhängig voneinander, ein Zeichen gegen die Ausstellung zu setzen. Mitglieder der Roten Kapelle klebten in der Nacht vom 17. auf den 18. Mai 1942 Zettel mit der Aufschrift „Ständige Ausstellung. Das Nazi-Paradies. Krieg Hunger Lüge Gestapo. Wie lange noch.“ an verschiedenen Orten in Berlin.

Die Baum-Kochmann-Gruppe verübte am 18. Mai 1942 einen Brandanschlag auf die Ausstellung im Lustgarten. Zehn Personen schlichen sich rein und legten an mehreren Stellen Brandsätze. Der entstandene Schaden war nicht groß und die meisten Brände gelöscht, bevor die Feuerwehr eintraf. Schon am nächsten Tag konnte wieder eröffnet werden. Trotzdem, urteilt auch Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, war die Aktion das größte und sichtbarste Zeichen jüdischen Widerstandes gegen das NS-Regime in Deutschland.

Verfolgung durch die Gestapo

Trotz des geringen Schadens war die Gestapo alarmiert und nahm an, es handele sich um eine große, organisierte Gruppe. Umgehend wurde eine Sonderkommission mit der klaren Aufgabe eingerichtet, die Attentäter zu fassen. Noch im Mai kam die Gestapo dem Widerstandsnetzwerk auf die Spur – vermutlich durch Denunziation. Am 22. Mai wurden die ersten Personen verhaftet und schwer gefoltert, bis zum Ende des Sommers 1943 fast alle.

Zahlreiche Mitglieder wurden hingerichtet, andere in KZs verschleppt. Herbert Baum starb in der Untersuchungshaft, angeblich durch Selbstmord. Am 18. August 1942 wurden Marianne Baum, Sala Kochmann, Irene Walther, Suzanne Wesse, Hildegard Jadamowitz, Heinz Joachim, Hans-Georg Mannaberg (Adler), Gerhard Meyer und Werner Steinbrinck in der NS-Hinrichtungsstätte Plötzensee ermordet. Weitere Hinrichtungen erfolgten 1943, darunter Martin Kochmann im September.

Aus Rache ließen die Nazis Hunderte von Berliner Jüdinnen und Juden verhaften und nach Auschwitz, Sachsenhausen und Theresienstadt deportieren. Viele überlebten nicht.

Hildegard Jadamowitz

Erinnerung nach 1945

In der historischen Forschung ist die Geschichte der jüdisch-kommunistischen Widerstandsgruppe um Marianne und Herbert Baum sowie Sala und Martin Kochmann noch nicht ausreichend bearbeitet.

Dazu beigetragen hat das unterschiedliche Gedenken an die Gruppe in Ost und West. In der DDR wurde vor allem den kommunistischen Mitgliedern gedacht und nicht auf die besondere Situation der doppelten Verfolgung der überwiegend jüdischen Mitglieder eingegangen. In der Bundesrepublik waren sie lange ganz vergessen. In beiden Fällen passten widerständige Jüdinnen und Juden nicht in das gängige Geschichtsbild.

In der DDR erschien mit „Jugend im Berliner Widerstand“ zwar 1985 eine umfassende, aber auf Herbert Baum als Leitung fokussierte Darstellung von Margot Pikarski. 2004 veröffentlichte die Berliner Autorin Regina Scheer den detaillierten Tatsachenroman „Im Schatten der Sterne. Eine jüdische Widerstandsgruppe“ über die Kreise um Marianne und Herbert Baum sowie Sala und Martin Kochmann. Minutiös recherchierte sie die Geschichte der Gruppe und die Hintergründe der Leitung.

Bestätigt hat das auch die Bundeszentrale für politische Bildung: „Die leitenden Gruppenmitglieder waren Herbert Baum und seine Frau Marianne Cohn sowie das spätere Ehepaar Martin Kochmann und Sala Rosenbaum, die bis 1933 im Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) gearbeitet hatten.“

Quellen und weiterführende Literatur
  • Regina Scheer: Im Schatten der Sterne. Eine jüdische Widerstandsgruppe
  • Bundeszentrale für politische Bildung: Erinnerungsorte. Gedenkstein Widerstandsgruppe um Herbert Baum. https://www.bpb.de/themen/holocaust/erinnerungsorte/503388/gedenkstein-widerstandsgruppe-um-herbert-baum/
  • Ursula Landtwing: Eine junge Frau im Widerstand.  https://www.der-rechte-rand.de/archive/8072/gruppe-baum-widerstand-loewy/
  • Dirk Baas: Widerstandsgruppe Baum. Anschlag auf NS-Propagandaschau vor 80 Jahren https://www.migazin.de/2022/05/17/widerstandsgruppe-baum-anschlag-ns-propagandaschau/
      Bilder
  • Marianne Baum: Wiki Commons, Bundesarchiv, Bild 183-P0220-309 / CC-BY-SA 3.0
  • Sala Kochmann, Hildegard Jadamowitz: BVVdN: Widerstand in Berlin 1933-1945:
  • Stolperstein Irene Walther: https://www.stolpersteine-berlin.de/de/biografie/9537
  • Stolperstein Suzanne Wesse: https://www.stolpersteine-berlin.de/biografie/8294