Novemberpogrome

Reichspogromnacht

In der Nacht von dem 9. Auf den 10. November 1938 gab es im gesamten deutschen Reich Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung. Sie waren weder der Anfang noch das Ende der antisemitischen Gewalt und Gesetzgebung.

In der Zeit von 1933 bis 1945 wurden circa 2000 antijüdische Gesetze und Verordnungen erlassen, die das Leben von Jüdinnen und Juden immer mehr einschränkten, auch der Widerständigen. Nicht nur gegen praktizierende, sondern alle, die schließlich 1935 durch die Nürnberger Gesetze zu Juden und Halbjuden erklärt wurden, richtete sich die systematische Ausgrenzung der nicht-arischen Bevölkerung. Schon kurz nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 kam es zu Ausschreitungen gegen Jüdinnen und Juden.

Im März wurden jüdische Politikerinnen, Ärzte oder Beamtinnen aus den Behörden entlassen. Am 1. April wurde ein Boykott gegen jüdische Geschäfte und Einrichtungen verordnet. SA-Truppen positionierten sich vor den Einrichtungen und hielten Passanten unter Drohungen am Beitritt ab. Scheiben wurden zerstört, Gewalt gegen die Inhaber angewendet. An den Scheiben wurden Zettel mit der Aufschrift angebracht: Deutsche kaufen nicht bei Juden. Dem folgte auch ein Appell an die Deutsche Frau.

Zeitzeugenzitat

Das am 7. April verabschiedete Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums mit dem „Arierparagraph“, nach dem Jüdinnen*Juden nicht mehr als Beamte zugelassen waren, ermöglichte schließlich den Ausschluss aller jüdischen Menschen aus dem öffentlichen und Lehrdienst oder Freien Berufen (Anwalt, Arzt). Damit begann die rechtliche Ausgrenzung aller Jüdinnen*Juden aus dem öffentlichen und gesellschaftlichen Leben.

Am 4. Oktober 1933 wurde das sogenannte Schriftleitergesetz verabschiedet, nachdem Journalisten arischer Herkunft sein müssen und im Sinne der NSDAP berichten müssen.

In den Nürnberger „Rassegesetzen“ von 1935 wurden Juden auch von Gesetz wegen zu Menschen minderen Rechts erklärt. Sie konnten fortan nur noch Staatsangehörige des Deutschen Reichs ohne politische Rechte sein. Es wurde rechtlich zwischen „Volljuden“ mit mindestens drei jüdischen Großeltern und „Halbjuden“ mit einem oder zwei jüdischen Großeltern, „Mischlingen“, unterschieden, worunter auch Ehepartner*innen fielen. Die Rassegesetze beinhalteten auch das „Blutschutzgesetz“, nach dem Eheschließungen zwischen Ariern und Juden verboten waren und auch Geschlechtsverkehr als Rassenschande verbot.

Im Juli 1938 wird eine Kennkarte für Jüdinnen eingeführt, ab Oktober 1938 werden Reisepässe von Juden mit einem „J“ gekennzeichnet. Im August desselben Jahres wurde eine Verordnung erlassen, die jüdischen Frauen vorschreibt, künftig den Namen Sarah als Beisatz zu tragen, Männer müssen fortan den Namen Israel tragen.

Verhaftungen, Zerstörung, Gewalt

Dem staatlich organisierten Pogrom in der Nacht vom 9. Auf den 10. November 1938, der neben einer Gewalt- und Zerstörungswelle der Bevölkerung gegen Jüdinnen und Juden, Einrichtungen und Synagogen auch eine Verhaftungswelle nach sich zog, folgten viele weitere antijüdische Maßnahmen, mit denen den bis dahin noch in Deutschland verbliebenen Juden endgültig jegliche Existenzgrundlage entzogen wurden. Am 12. November wurde ihnen verboten, an kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen.

Bereits ab 1933 griffen die Nazis in das Schulsystem ein. Jüdischen Kindern wurde der Zugang zu Bildung immer mehr erschwert, am 15. November 1938 wurde ihnen der Schulunterricht an öffentlichen Schulen untersagt, ab 1941 gänzlich verboten. 

Im Dezember 1938 wurden jüdische Betriebe zwangsarisiert, die Vermögen eingezogen. Dadurch wurden immer mehr jüdische Menschen in die Erwerbslosigkeit und Armut gedrängt. Am 17. Dezember 1938 wurde es Juden verboten, das Arbeitsamt zu betreten, erwerbslose mussten sich fortan in die Zentraldienststelle für Juden beim Berliner Arbeitsamt in der Fontanestr. 15 in der Nähe vom Südstern begeben. Außerdem wurde ihnen das Autofahren und der Besitz von Autos verboten. Immer mehr Parkbänke trugen die Aufschrift „nur für Arier“, an immer mehr Kneipen, Bars oder Restaurants klebten Zettel mit der Aufschrift „Juden unerwünscht“.

Mit dem „Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden“ vom 30. April 1939 wurde der Mieterschutz aufgehoben, arische Wohnungsbesitzer*innen konnten jüdischen Mieter*innen fristlos kündigen, was viele auch dazu veranlasste. Freiwerdende Wohnungen wurde an arische Einwohner*innen vergeben, die zudem auch von günstigem Hausrat profitierten, den ihre Vorgänger*innen nicht mitnehmen durften. Jüdische Mieter und Hauseigentümerinnen mussten nun wohnungslose Juden in ihren Wohnungen aufnehmen. So entstanden in der Folge „Judenwohnungen“ und ganze „Judenhäuser“ im gesamten Reich und an vielen Stellen in Berlin, mitten in der Stadt, unter anderem in der Hornstraße 23.

Weitere Repressionen und Beginn von Deportationen

Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 wurden Lebensmittelkarten eingeführt. Jüdinnen*Juden erhielten weniger Nahrungsmittel zugewiesen als die arische Bevölkerung und mussten dafür zu speziellen Sammelstellen. Ab Juli 1940 durften sie nur noch zwischen 16 und 17 Uhr einkaufen gehen. Ab September 1940 gab es spezielle Luftschutzbunker für die jüdische Bevölkerung. Das Tragen vom gelben Judenstern wurde verpflichtend.

In Vorbereitung auf die kommenden Deportationen der noch verbliebenen deutschen Juden im Reich, wurde am 10. Oktober 1941 eine Verordnung erlassen, die es verbot, die Wohnungen zu verlassen. Im Oktober 1941 begannen auch die Deportationen der deutschen Juden im Reich, am 18. Oktober startete der erste Deportationszug von Berlinern ins Ghetto Litzmannstadt in Polen, am 23. Oktober wurde die Auswanderung verboten.

Ab dem 15. Februar 1942 durften Juden keine Haustiere mehr halten. Ab 24. Februar durften die bis dahin noch in Berlin verbliebenen Juden keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr nutzen, ab dem 18. September kein Fleisch mehr kaufen.

Im Frühjahr 1943 wurde Berlin offiziell für Judenrein erklärt.