Charlotte Uhrig, geb. Kirst

Arbeiterin, Sozialdemokratin, Kommunistin

Charlotte Kirst wurde am 26. Februar 1907 in Berlin geboren. Über ihre Kindheit und Jugend ist wenig bekannt. Sie war Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) und ab 1926 in der SPD. Von 1928 bis 1933 arbeitete sie als Sekretärin in der SPD-Reichstagsfraktion, unter anderem für Rudolf Breitscheid. Später trat sie in die KPD ein.

Bereits kurz nach der Machtübernahme 1933 war Charlotte Kirst im Widerstand aktiv. Sie lernte Robert Uhrig spätestens kurz nach seiner Entlassung am 16. März 1936 aus dem Zuchthaus Luckau 1936 durch gemeinsame Freund*innen im Widerstand kennen. Ab 1940 waren sie verheiratet (für ihn war es die zweite Ehe) und lebten gemeinsam in der Wartburgstraße 4 in Schöneberg.

Eigener Widerstand mit Freundinnnen in der Europäischen Union

Charlotte Uhrig unterstützte die Widerstandstätigkeiten ihres Mannes nicht nur, sie hatte auch schon vor ihrem Kennenlernen eigene Kontakte zu Widerständigen, unter anderem ihre Freundinnen Hilde Seigewasser und Charlotte Breitbach aus gemeinsamen Zeit in der SAJ und zur Widerstandsgruppe Europäische Union um Anneliese und Georg Groscurth. Sie unterstützte Verfolgte und bereits inhaftierte Genoss*innen und deren Angehörige durch das Sammeln von Geld und Lebensmitteln und vermittelte ihre Kontakte. Von 1937 bis 1942 war Sie illegal für die KPD im Unterbezirk Schöneberg tätig.

Ab 1941 arbeitete Charlotte Uhrig als Leiterin einer Personalabteilung in den Flugmotorenwerken von Daimler-Benz in Berlin-Marienfelde. Dort beschaffte sie im gleichen Jahr geheime Unterlagen und Informationen über die deutsche Rüstungsindustrie, die Robert Uhrig der sowjetischen Botschaft übermitteln konnte.

„Zwischen einigen Meistern, Werkstattschreibern, Angestellten und mir war ein solches Verhältnis entstanden, dass jeder auf Grund der Haltung, bestimmter Bemerkungen und vorsichtig geführter Gespräche wusste, was man voneinander – im positiven Sinne – zu halten hatte.“

Charlotte Uhrig 1974 gegenüber Luise Kraushaar

KZ-Haft trotz Freispruch

Bei der Verhaftungswelle gegen die Uhrig-Gruppe im Februar 1942 blieb Charlotte unentdeckt. Sie besuchte Robert mehrfach während der Haft und schmuggelte Informationen nach innen und außen. Sie blieb im Widerstand aktiv und wurde erst Anfang September 1943 wegen der Unterstützung Angehöriger von inhaftierten Genossen und Genossinnen und Kontakten zur Europäischen Union verhaftet.

Uhrig saß die Untersuchungshaft im Gerichtsgefängnis Brandenburg/Havel ab. Sie wurde zwar am 17. April 1944 vom Volksgerichtshof freigesprochen, da ihr keine Widerstandstätigkeit nachgewiesen werden konnte, wurde aber von Juni 1944 bis zur Befreiung Ende April 1945 im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück festgehalten. Ihre Mitstreiterinnen Elfriede Tygör und Charlotte Eisenblätter wurden am 25. August 1944 im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Uhrig-Römer-Gruppe hingerichtet. „Mein letzter Gedanke gilt dir und einer freien Menschheit“, schrieb Robert Uhrig kurz vor seiner Hinrichtung im Abschiedsbrief an seine Ehefrau Charlotte.

Charlotte Uhrig nach ihrer Verhaftung 1943. Bundesarchiv

Wesentlicher Beitrag zur Aufarbeitung der Uhrig-Römer-Gruppe

Unmittelbar nach Kriegsende kehrte Uhrig gezeichnet von der Haft nach Berlin-Schöneberg zurück. Unter ihrer Leitung entstand in Folge einer Frauenversammlung im Bezirk im Mai 1945 ein antifaschistischer Frauenausschuss. Diesen leitete sie bis 1946 und siedelte anschließend in nach Ost-Berlin über. Dort arbeitete sie als Verwaltungsangestellte und politische Mitarbeiterin im DDR-Staatsapparat. Sie engagierte sich im Freundeskreis Ravensbrück. In der DDR war sie in das öffentliche Gedenken an ihren Mann eingebunden, viele DDR-Institutionen trugen Roberts Namen. Kurz vor ihrem Tod am 17. Oktober 1992 übergab sie ihren und Robert Uhrigs schriftlichen Nachlass dem Zentralen Parteiarchiv der SED. So trug sie maßgeblich zur Aufarbeitung der Geschichte der Uhrig-Römer-Gruppe bei.

Bestattet wurde Charlotte Uhrig im Grab ihrer Eltern auf einem Friedhof in Berlin-Pankow. Auf dem Grabstein wurde auch der Name ihres Mannes eingraviert. Das Grab ist heute nicht mehr auffindbar. Es ist wohl 2012 eingeebnet worden und der Grabstein zermahlen.

Als im Februar 1942 die staatspolizeilichen Maßnahmen gegen die unter Leitung des Robert Uhrig stehende kommunistische Gruppe und die Festnahme der Funktionäre, darunter auch des Ehemannes der Angeschuldigten Breitbach, einsetzte, beschlossen die Angeschuldigten Seigewasser, Uhrig und Hinz (…) eine Art Unterstützungsleistung unter sich und ihren bekannten Gesinnungsgenossen nach Art der „Roten Hilfe“ einzuleiten und unter Leitung der Angeschuldigten Seigewasser einen Fonds zu bilden, aus dem die Angehörigen der Verhafteten unterstützt werden könnten. Die Angeschuldigte Seigewasser und ebenso die Angeschuldigte Uhrig spendeten dafür monatlich 5 RM. (…)

Im Juli wurde die Angeschuldigte Seigewasser von Richter über das Bestehen und die Ziele der Europäischen Union unterrichtet. Richter wies hierbei darauf hin, dass die Organisation Beziehungen zu ausländischen Arbeitern unterhalte (…), dass die Organisation ein Sammelbecken linksgerichteter politischer Kräfte zur Übernahme der Macht bei dem erwarteten Zusammenbruch Deutschlands darstellte, und (…) dass Richter und seine Gesinnungsgenossen regelmäßig Zusammenkünfte hatten. Durch Richter lernte sie auch die weiteren Funktionäre der EU, Havemann, Groscurth und Rentsch kennen.

BArch, NJ 13326, S. 18f. der Anklageschrift. Zit. Nach Hans Rainer Sandvoß.

 

Bestattet wurde Charlotte Uhrig im Grab ihrer Eltern auf einem Friedhof in Berlin-Pankow. Auf dem Grabstein wurde auch der Name ihres Mannes eingraviert. Das Grab ist heute nicht mehr auffindbar. Es ist wohl 2012 eingeebnet worden und der Grabstein zermahlen. Foto: Rita Pawlowski
Gedenktafel_Uhrig
Gedenktafel für Robert Uhrig am Haus der Wartburgstraße 4 in Berlin-Schöneberg. Charlotte Uhrig hat auch dort gelebt. Auf der Tafel fehlt ihr Name.

Hans Rainer Sandvoß: Die „andere“ Reichshauptstadt. Widerstand aus der Arbeiterbewegung in Berlin 1933-1945. S. 250f.

BVVdN (Hrsg.): Widerstand in Berlin 1933-1945. Bd. U

Robert Uhrig. Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur

Luise Kraushaar: Berliner Kommunisten im Kampf gegen Faschismus 1936-1942. Berlin (Ost) 1981

Zum Gedenken an Lichtenberger WiderstandskämpferInnen 1939-1945. Museum Lichtenberg im Stadthaus

Gedenkstätte Deutscher Widerstand – Widerstand in Berlin 1933-1945

Charlotte und Robert Uhrig (Bestand). In: Archivportal-D. Landesarchiv Baden-Württemberg

Rita Pawlowski: Im Streit der Parteien aufgerieben (nd-aktuell.de)

Nachlass von Charlotte und Robert Uhrig im Bundesarchiv

Friedhof Pankow IV in Berlin-Niederschönhausen In: Bestattung-Information.de. Dierk Werner

Henning Fischer: Überlebende als Akteurinnen. Die Frauen der Lagergemeinschaft Ravensbrück: Biografische Erfahrung und politisches Handeln; 1945 bis 1989. Konstanz 2018

Bilder:

Landesarchiv Berlin, C Rep. 118-01, in: Wehner, Günther: Widerstand in Berlin 1933-1945

Gedenktafel: Margit Hildebrandt


Zu unserem Wikipedia-Artikel über Charlotte Uhrig