Glossar

A B D F G I J K L M O P R S U V Z

A

Aktion Gewitter/Gitter: Tarnname der Nazis für die Verhaftungen ab dem 22. August 1944 von mehr als 5.000 ehemaligen Funktionärinnen und Mandatsträgerinnen politischer Parteien der Weimarer Republik, insbesondere der Arbeiterparteien, aber auch von Gewerkschafter:innen, später auch Liberalen, Mitgliedern der Zentrumspartei und der Bayerischen Volkspartei nach dem gescheiterten Attentat und Staatsumsturzversuch vom 20. Juli 1944. Die Listen dafür hatte die Gestapo bereits zu Beginn der Naziherrschaft erstellt.

Aktion T4: Die systematische Ermordung von mehr als 300.000 Menschen mit körperlichen, geistigen und psychischen Beeinträchtigungen in den Jahren 1940 und 1941. Sie waren Teil des „Euthanasie-Programms“ Dabei wurde erstmals Gas zur Tötung von Menschen eingesetzt, wodurch die „Aktion“ als Blaupause für die Shoah diente. Viele der beteiligten SS-Männer wurden 1942 und 1943 in den Vernichtungslagern der „Aktion Reinhardt“ eingesetzt, der Ermordung aller Juden und Roma im besetzten Polen. Mittlerweile gibt es eine Gedenkinstallation am historischen Ort in der Tiergartenstraße 4, wo die Bürozentrale für die Leitung der „Euthanasie“-Morde lag.

Antifaschistische Frauenausschüsse: Ausgehend von Schöneberg und Köpenick entstanden im Mai 1945 in allen Berliner Bezirken überparteiliche und überkonfessionell angelegte antifaschistische Frauenausschüsse innerhalb der Bezirksverwaltungen, die sich in eigens eingerichteten Büros den dringendsten sozialen Aufgaben nach dem Krieg widmeten: Essensausgaben, Nähstuben zur Reparatur von Kleidung, Kleidersammlungen, Wärmestuben und soziale Beratungsstellen. Nach Gründung des Demokratischen Frauenbunds Deutschland (DFD) im März 1947 wurden die Frauenausschüsse im November 1947 in diesen überführt.

ASV Fichte: 1890 von Sozialdemokrat:innen als Antwort auf ihre Ausgrenzung aus bürgerlichen Sportvereinen in Berlin gegründeter Arbeitersportverein. Ab Anfang der 1920er Jahre kommunistisch dominiert, wurde der ASV mit rund 10.000 Sportler:innen zum weltweit größten „roten“ Sportverein. Er war eine der wenigen kommunistisch geprägten Organisationen, die sich explizit auf die Illegalität nach der Machtübertragung vorbereiteten, die Fichtesportler:innen zerstörten gezielt Mitgliederkarteien, Mobiliar und Sportgeräte sowie -plätze. Nachdem der ASV nach der Machtübertragung verboten war, organisierten sich viele Mitglieder illegal. Ein Teil bewahrte die Strukturen durch Gründung neuer, vermeintlich unpolitischer Sportvereine oder durch den Übertritt in bürgerliche Vereine als geschlossene Sparten.

AWO: Auf Initiative von Marie Juchacz (siehe Köpenick) beschloss der Parteivorstand der SPD am 13. Dezember 1919 die Gründung des Hauptausschusses Arbeiterwohlfahrt, aus dem 1925 der eingetragene Verein Arbeiterwohlfahrt hervorging. Die AWO entwickelte sich zu einem der größten Wohlfahrtsverbände, der sich die Unterstützung hilfsbedürftiger Menschen, insbesondere aus der Arbeiterschaft auf die Fahne geschrieben hatte. Es wurden Suppenküchen und Nähstuben betrieben sowie versucht, die materielle Not der Bevölkerung nach dem Ersten Weltkrieg und während der Weltwirtschaftskrise zu lindern. 1931 gehörten dem Verein mehr als 130.000 ehrenamtliche Helfer:innen, vor allem viele Frauen, in rund 2.500 Ortsvereinen an.

B

Barnimstraße: 1864 errichtetes Gefängnis in Friedrichshain, seit 1868 als Frauengefängnis genutzt. Durch einen Erweiterungsbau von 1910 bis 1913 war es das modernste Gefängnis der Stadt. Für Schwangere gab es eine Mutter-Kind-Station. Bis 1933 waren überwiegend Prostituierte inhaftiert, aber auch politische Häftlinge wie die KPD-Mitgründerin Rosa Luxemburg. Während des NS wurde es als Berliner Frauengefängnis I geführt und diente als Untersuchungs- und Strafanstalt. Auch zum Tode Verurteilte waren hier vor ihrer Hinrichtung in Plötzensee inhaftiert. 1977 wurde das Gebäude abgerissen.

Baum-Kochmann-Gruppe: Jüdisch-kommunistische Widerstandsgruppe in Berlin, bestehend aus mehreren Freundeskreisen. Insgesamt werden ihr etwa Hundert überwiegend junge jüdische Widerständige aus unterschiedlichen Kreisen zugeordnet, darunter mehr als ein Drittel Frauen. Das Durchschnittsalter lag bei 22 Jahren. Bedingt durch die Verfolgung durch die Nationalsozialisten und deren Ausgrenzungsgesetzen – über 2000 anti-jüdische Gesetze und Ergänzungen, die das Leben ab 1933 immer weiter einschränkten – veränderte sich die Zusammensetzung der Gruppe bis 1942 laufend. Jüdinnen und Juden wurden aus dem öffentlichen Leben zurückgedrängt und unterlagen immer mehr Repressionen, ab Oktober 1941 begannen auch die Deportationen von Berliner Jüdinnen und Juden in Konzentrations- und Vernichtungslager. Die Gruppenmitglieder trafen sich zu geheimen Zusammenkünften, verbreiteten Flugblätter. Am 18. Mai 1942 verübten sie einen Brandanschlag auf eine Propaganda-Ausstellung im Lustgarten in Mitte. In der Folge wurde bis Frühjahr 1943 ein Großteil der Gruppe gefasst und in Plötzensee oder einem Vernichtungslager ermordet.

Bekennende Kirche (BK): Oppositionsbewegung in der evangelischen Kirche, die sich gegen den weltlichen, alleinigen Führungsanspruch der Nationalsozialisten auch in der Kirche richtete, da für die Vertreter:innen der BK das göttliche Gesetz darüber stand. Die Übernahme des „Arierparagraphen“ in die Kirchenverfassung und damit der Ausschluss evangelischer Christen jüdischer Herkunft aus der Kirche führte zur Gründung der BK, die im Gegensatz zu den Deutschen Christen standen. Trotzdem bedeutete die Mitgliedschaft nicht, dass alle ihre Mitglieder den NS ablehnten oder aktiven Widerstand leisteten.

BDJJ: Der Bund Deutsch-Jüdischer Jugend entstand im Dezember 1933 als Zusammenschluss von nichtzionistischen jüdischen Jugendbünden, in denen sich vorwiegend Jugendliche aus dem assimilierten jüdischen Bürgertum zusammenfanden. Er wurde 1937 zwangsaufgelöst.

BDM: Bund Deutscher Mädel

BVV: Bezirksverordnetenversammlung

D

Deutsche Christen: Aus einer kurz zuvor gebildeten Gruppierung in Thüringen entstand 1932 die „Glaubensbewegung Deutsche Christen“, eine nationalsozialistische und am Führerprinzip ausgerichtete Strömung innerhalb der evangelischen Kirche. Nach der Machtübertragung forderten die Deutschen Christen die Übernahme des „Arierparagraphen“ in die Kirchenverfassung, ihre Vertreter wurden 1933 bei vorgezogenen Kirchenwahlen in fast alle wichtigen Kirchenämter gewählt.

E

Europäische Union: Die Widerstandsgruppe entstand im Juli 1943 um die Intellektuellen Georg Groscurth und Robert Havemann aus linkssozialistischen Kreisen. Ihr Ziel war die Beendigung des NS-Regimes und der Aufbau eines freien und vereinten sozialistischen Europas durch einen Aufstand von deutschen Widerstandskämpfer:innen und ausländischen Zwangsarbeitenden. Die Gruppe unterstützte Verfolgte und Zwangsarbeitende durch Verstecken, falsche Ausweise, Nahrungsmittel, Medikamente und geheime Informationen. Kontakte bestanden zu einer Gruppe Zwangsarbeitender um den tschechisch-russischen Chemiker Konstantin Žadkěvič und die ukrainische Ärztin Galina Romanowa und bereits ab Anfang der 1940er Jahre zu einem Kreis Kommunist:innen aus der ehemaligen Uhrig-Römer-Gruppe sowie der Roten Kapelle. Im September 1943 wurde die Gruppe aufgedeckt und ein Teil verhaftet und ermordet.

F

Fabrikaktion: Am 27. Februar 1943 begannen SS und Gestapo mit der Verschleppung der bis dahin noch in Berlin verbliebenen Jüdinnen und Juden in Sammellager. Die Verhaftungen erfolgten am Zwangsarbeitsplatz in den Fabriken, daher leitet sich die Bezeichnung „Fabrikaktion“ ab. Etwa 2.000 von ihnen kamen durch den Frauenprotest in der Rosenstraße frei, 6.000 wurden aus den Sammellagern überwiegend nach Auschwitz deportiert und größtenteils sofort ermordet.

Frauenzuchthaus Cottbus: Das 1860 eröffnete Königliche Centralgefängnis Cottbus wurde ab 1937 als Strafgefängnis für weibliche Häftlinge genutzt, von 1939 bis 1945 als einziges Frauenzuchthaus im Kammergerichtsbezirk Berlin. Große Teile des Gefängnisses wurden bei Bombenangriffen im Februar 1945 zerstört. Zu DDR-Zeiten wurde das Gebäude von der Staatssicherheit als Gefängnis genutzt. Seit 2012 ist dort das Menschenrechtszentrum Cottbus angesiedelt.

G

Gestapo: Geheime Staatspolizei

I

IAH: Die Internationale Arbeiterhilfe war eine 1921 in Berlin gegründete KPD-nahe Solidaritätsorganisation zur Unterstützung von Arbeiter:innen mit Sitz in Berlin. Die Gründung erfolgte als Reaktion auf einen Aufruf Wladimir Iljitsch Lenins nach internationaler Unterstützung wegen einer Dürre- und Hungerkatastrophe im Wolgagebiet 1921-1922. Die IAH half in den folgenden Jahren Arbeiter:innen bei Arbeitskämpfen, aber auch bei Kriegen und Naturkatastrophen durch die Verteilung von Lebensmitteln, Kleidung und Geld. Sie unterhielt Volksküchen und Kinderheime. Einnahmen erfolgten durch Spendenaufrufe und eigene Industriebetriebe in der Sowjetunion, aber auch durch Filmproduktionsgesellschaften und den Neuen Deutschen Verlag. Nach der Machtübertragung wurden Funktionär:innen verhaftet, die IAH musste ihre legale Tätigkeit in Deutschland einstellen.

IBV: Die Internationale Bibelforschervereinigung war eine Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas, die 1933 verboten wurde. Die Großzahl ihrer Mitglieder betätigten sich im NS illegal durch die Aufrechterhaltung ihrer Glaubensgemeinschaft, Flugblattaktionen, im Zweiten Weltkrieg durch Kriegsdienstverweigerung und Verstecken von Deserteuren. Nach ihrer wortgetreuen Auslegung der Bibel haben Zeuginnen eine untergeordnete Stellung in den Gemeinden und in der Kirche. In der Zeit der Illegalität erreichten sie jedoch vorübergehend höhere Positionen mit Entscheidungsbefugnis, weil sie die verhafteten Männer ersetzen mussten. Unter den im NS aus religiösen Gründen Verfolgten sind die Zeugen Jehovas die größte Gruppe. Da die Nazis die Judenverfolgung nicht religiös, sondern „rassisch“ begründeten, gelten Juden in der wissenschaftlichen Literatur nicht als religiös verfolgt.

Informationsdienst: Zeitung der Uhrig-Römer-Gruppe, in der die Verbrechen der Nazis gegen die Bevölkerung in den besetzten Ostgebieten öffentlich gemacht und die Arbeiterschaft zur Sabotage in den Betrieben aufgerufen wurde.

J

JFB: Der Jüdische Frauenbund war ein 1904 von der jüdischen Frauenrechtlerin Bertha Pappenheim gegründeter Frauenverein als Interessensgemeinschaft für jüdische Kultur. Aus der Wohltätigkeitsarbeit lokaler Frauengruppen entstand bald eine professionelle und international vernetzte soziale Arbeit. Nach der Machtübertragung und den Nürnberger Gesetzen setzte sich der JFB für die Auswanderung von Jüdinnen und Juden ein. Nach den Novemberpogromen 1938 verboten, wurde der JFB 1939 in die Reichsvertretung der Juden überführt.

Judenhäuser/Jüdische Zwangsräume: Ab 1939 musste fast die Hälfte der jüdischen Bevölkerung Berlins ihre Wohnungen verlassen und umziehen. Juden und Jüdinnen wurden als Untermieter:innen in Wohnungen und Häuser unter beengten Verhältnissen eingewiesen, in denen bereits andere jüdische Mieter:innen oder Hausbesitzer:innen lebten, sogenannte Judenhäuser. In Berlin gab es mindestens 791 Zwangswohnungen. Zumeist waren sie der letzte Wohnort vor der Deportation und Ermordung.

K

Kindertransporte: Nach dem Pogrom am 9. November 1938 starteten einflussreiche Quäker sowie Jüdinnen und Juden in Großbritannien eine Initiative zur Aufnahme jüdischer Kinder und Jugendlicher aus Deutschland, Österreich, Polen und der bereits besetzten Tschechoslowakei. Die britische Regierung stimmte der Aufnahme zu, wenn für die Kinder Pflegefamilien oder Förderer gefunden wurden. Die Kosten für Unterbringung, Verpflegung und Ausbildung wurden von Privatpersonen und nichtstaatlichen Organisationen getragen. Der erste Kindertransport startete am 1. Dezember 1938 mit 196 Kindern in Berlin vom Anhalter Bahnhof und kam am nächsten Tag in London an. Bis zum 1.September 1939 konnten so mehr als 10.000 Kinder gerettet werden. Weitere jüdische Kinder wurden in Belgien, Schweden, der Niederlande, der Schweiz und Frankreich aufgenommen. Die Nazis erlaubten ihre Ausreise unter der Bedingung, dass sie nur einen Koffer, ein Handgepäck und 10 Reichsmark ausführen durften.

KJVD: Kommunistischer Jugendverband

KGB: Konsumgenossenschaft Berlin (siehe Wedding)

KPD: Kommunistische Partei Deutschland

L

Lichtenburg: Das bereits von 1812 bis 1928 als Zuchthaus genutzte Renaissance-Schloss Lichtenburg wurde ab Juni 1933 als frühes Konzentrationslager genutzt, bis 1937 als Männerlager. Nach der Errichtung der KZ Buchenwald in Thüringen und Sachsenhausen in Brandenburg wurde das Schloss von Dezember 1937 bis Mai 1939 als Frauenkonzentrationslager genutzt. Über 1.400 Frauen waren hier inhaftiert. Da das Schloss bauliche Mängel aufwies und nicht erweiterbar war, wurden im Mai 1939 die letzten Häftlinge in das neu errichtete Konzentrationslager Ravensbrück überführt. Seit 1965 ist hier eine Gedenkstätte eingerichtet.

M

Moringen: Im Oktober 1933 wurde im niedersächsischen Moringen ein Frauenkonzentrationslager eingerichtet, hervorgegangen aus der Abteilung für Frauen, die aus politischen Gründen inhaftiert waren. Bis 1938 diente das Lager als zentrales Frauen-KZ in Preußen für etwa 1.350 Gefangene. Für Jüdinnen diente der „Judensaal“ als Haftort. Nach der Auflösung des Lagers Ende März 1938 wurden die Frauen in drei großen Transporten in das Frauen-KZ Lichtenburg überstellt, später in das Frauen-KZ Ravensbrück. Seit 1993 ist dort eine Gedenkstätte eingerichtet.

Mutterkreuz: Das „Ehrenkreuz der Deutschen Mutter“ wurde Ende 1938 in Vorbereitung auf den Zweiten Weltkrieg durch eine Verordnung Hitlers gestiftet. Durch die Verleihung der „Mutterkreuze“ sollte die Gebärfreudigkeit gesteigert werden. Das goldene „Mutterkreuz“ bekamen Mütter ab neun Kindern, das silberne ab sechs und das bronzene ab vier Kindern. Vorher wurden die Familien darauf überprüft, dass sie „arisch“ waren, es keine „Erbkrankheiten“ unter den Vorfahren und keine politischen Auffälligkeiten gab. Das „Mutterkreuz“ war die Entsprechung des „Eisernen Kreuzes“, das Soldaten für Kriegsverdienste erhielten. Adolf Hitler hatte schon vor 1933 das Wochenbett zum „Schlachtfeld“ der deutschen Frauen erklärt. Frauen, die das „Mutterkreuz“ in der Öffentlichkeit angesteckt hatten, mussten wie die Soldaten mit militärischen Ehren gegrüßt werden. Viele Mütter freuten sich über die Verleihung, weil sie darin eine öffentliche Anerkennung ihrer Leistungen sahen.

O

Opfer des Faschismus: Bereits kurz nach Kriegsende wurden die Hauptausschüsse für Opfer des Faschismus gegründet. Ihre Aufgabe bestand in der rechtlichen und materiellen Unterstützung von Verfolgten und der Aufarbeitung von NS-Unrecht. Überlebende aus Widerstand und Verfolgung konnten die Anerkennung als Opfer beantragen und so Unterstützung bekommen. 1947/48 entstand aus den Hauptausschüssen die VVN.

P

Plötzensee: Strafgefängnis und Hinrichtungsstätte. Im Ortsteil Plötzensee befand sich seit 1879 das größte Gefängnis Berlins. In der NS-Zeit wurde das Strafgefängnis neben dem Zuchthaus Brandenburg als zentrale Hinrichtungsstätte in Berlin und Brandenburg genutzt, überwiegend für Widerstandskämpfer:innen. Von 1933 bis 1945 wurden hier in einem Schuppen über 2.800 Personen ermordet, meist durch das Fallbeil. Darunter waren über 300 Frauen. Seit 1952 befindet sich auf dem Gelände eine Gedenkstätte.

R

Reichstagsbrand: In der Nacht zum 28. Februar 1933, knapp vier Wochen nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler, brannte der Reichtstag in Berlin, wodurch die Kuppel und der Plenarsaal fast völlig zerstört wurden. Dass es sich um Brandstiftung handelte, stand schnell fest. Vor Ort wurde der niederländische Linksanarchist Marinus van der Lubbe festgenommen, der seine Täterschaft einräumte. Bis heute besteht der Verdacht, dass die Nazis den Reichstag selbst in Brand gesteckt haben. Auf jeden Fall nutzten sie ihn, um mit brutaler Gewalt gegen ihre politischen Gegner vorzugehen. Sie beschuldigten die Kommunisten, einen Aufstand geplant zu haben und den Reichstag als dessen Beginn in Brand gesteckt zu haben. Bereits am 28. Februar wurde vom Reichskabinett die „Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat“ beschlossen, noch am gleichen Tag vom Reichspräsidenten Paul von Hindenburg unterzeichnet und unmittelbar danach umgesetzt. Mit dieser Verordnung, die bis 1945 in Kraft blieb, wurden grundlegende bürgerliche Freiheiten, wie die Meinungs- und Pressefreiheit, die Versammlungsfreiheit, das Post- und Fernmeldegeheimnis stark eingeschränkt. Personen konnten ohne richterlichen Beschluss oder Verurteilung in Schutzhaft genommen werden. Mehrere Tausend politische Gegner, insbesondere Kommunistinnen, aber auch Sozialdemokraten, linke Intellektuelle und Künstlerinnen wurden verhaftet und zum großen Teil schwer gefoltert.

Reichsvereinigung der Juden: 1939 eingerichtete nationalsozialistische Zwangsorganisation als Verwaltungsorganisation für Jüdinnen und Juden, die unter Kontrolle des Reichssicherungshauptamts und Gestapo standen. Die Funktionär:innen mussten die Anweisungen der Gestapo umsetzen und waren ab 1942 gezwungen, Listen für Deportationen zu erstellen, versuchten aber, möglichst vielen die Flucht zu ermöglichen. 1943 wurde die Reichsvereinigung aufgelöst und ein Großteil der Funktionär:innen deportiert und ermordet.

RHD: Die Rote Hilfe Deutschland wurde 1924 als KPD-nahe Solidaritätsorganisation für in Not geratene Arbeiter:innen gegründet. Nach der Machtübertragung und der Zerschlagung der Arbeiter:innenbewegung kam es auch zu Verhaftungen in den Reihen der RHD, die sich deswegen neu organisieren musste. An die Stelle der überwiegend männlichen Verhafteten rückten häufig Frauen, die Unterstützung von Inhaftierten und deren Angehörigen mit Geld- und Lebensmittelsammlungen organisierten.

Riga: Nach der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht im Juli 1941 richteten die deutschen Besatzer ein jüdisches Ghetto in der Hauptstadt Lettlands im Stadtteil Moskauer Vorstadt ein. Im Oktober 1941 waren dort mehr als 29.000 Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht. Ab Ende November 1941 wurden Jüdinnen und Juden aus Deutschland nach Riga deportiert. Um diese Menschen im Ghetto unterbringen zu können, wurden bei Ermordungen im Oktober und November 1941 fast alle lettischen Jüdinnen und Juden im Wald von Rumbula vor der Stadt von lettischen und deutschen SS-Leuten erschossen. Zu den ersten Opfern der „Aktion“ in Rumbula wurden 1.000 Berliner:innen. Das Ghetto Riga bestand bis Anfang November 1943, die verbliebenen Insassen wurden in das Vernichtungslager Auschwitz transportiert.

RFMB: Roter Frauen- und Mädchenbund (siehe Wedding)

Rosenstraße: Am 27. Februar 1943 begann mit der „Fabrikaktion“ die Verhaftungswelle gegen die noch in Berlin verbliebenen Jüdinnen und Juden, darunter auch diejenigen, die bis dahin durch Ehen mit „deutsch-arischen“ Partner:innen geschützt waren. Sie wurden in das Gebäude der ehemaligen Behörde für Wohlfahrtswesen und Jugendfürsorge der jüdischen Gemeinde in der Rosenstraße 2-4 in der Nähe vom Alexanderplatz gebracht. Schon am Abend des 27. Februar bildeten sich vor dem Haus spontane Demonstrationen der Ehepartner:innen, darunter überwiegend Frauen, die für die Freilassung ihrer Angehörigen demonstrierten. Die öffentlichen Demonstrationen hielten tagelang an, nur kurzzeitig war der Platz vor dem Gebäude wegen Luftangriffen geräumt. Die Proteste hatten Erfolg, ein Teil der Inhaftierten wurde freigelassen. Seit 1995 erinnern Skulpturen von Ingeborg Hunzinger Am 27. Februar 1943 begann mit der „Fabrikaktion“ die Verhaftungswelle gegen die noch in Berlin verbliebenen Jüdinnen und Juden, darunter auch diejenigen, die bis dahin durch Ehen mit „deutsch-arischen“ Partner:innen geschützt waren. Sie wurden in das Gebäude der ehemaligen Behörde für Wohlfahrtswesen und Jugendfürsorge der jüdischen Gemeinde in der Rosenstraße 2-4 in der Nähe vom Alexanderplatz gebracht. Schon am Abend des 27. Februar bildeten sich vor dem Haus spontane Demonstrationen der Ehepartner:innen, darunter überwiegend Frauen, die für die Freilassung ihrer Angehörigen demonstrierten. Die öffentlichen Demonstrationen hielten tagelang an, nur kurzzeitig war der Platz vor dem Gebäude wegen Luftangriffen geräumt. Die Proteste hatten Erfolg, ein Teil der Inhaftierten wurde freigelassen. Seit 1995 erinnern Skulpturen von Ingeborg Hunzinger (siehe Marzahn) an den Frauenprotest.

Rote Kapelle: Das von der Gestapo später so bezeichnete, lose organisierte Widerstandsnetzwerk entstand Mitte der 1930er Jahre und bestand aus sieben Widerstandskreisen, die untereinander über Einzelpersonen verbunden waren. Über 150 Menschen unterschiedlicher Sozialisation und Weltanschauung waren darin aktiv, darunter etwa ein Drittel Frauen. Die Aktivitäten waren vielfältig: Unterstützung von Verfolgten und Zwangsarbeitenden, Herstellung und Verbreitung geheimer Schriften und Klebezettel, Kontaktversuche zu den Alliierten über persönliche Verbindungen und Funksprüche, um sie über die Verbrechen und Kriegsplanungen der Nationalsozialisten zu informieren. Im August 1942 flog die Rote Kapelle auf und ein Großteil der Mitglieder wurde verhaftet und vom Reichskriegsgericht in den meisten Fällen wegen Landesverrat und Spionage 1942 und 1943 zum Tode verurteilt.

S

Sachsenhausen: Das KZ Sachsenhausen wurde im Sommer 1936 in der Nähe von Oranienburg eingerichtet und von Häftlingen aus Konzentrationslagern aus dem Emsland erbaut. Bis 1945 wurden hier mehr als 200.000 Gefangene inhaftiert, darunter etwa 20.000 Frauen. 1938/39 erbauten Häftlinge aus Sachsenhausen das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Seit 1961 ist hier die Gedenkstätte Sachsenhausen eingerichtet.

Saefkow-Jacob-Bästlein-Organisation: Nach der Zerschlagung der Uhrig-Römer-Gruppe im Frühjahr 1942 schlossen sich viele Berliner Kommunist:innen und Arbeitersportler:innen den aus Hamburg nach Berlin geschickten KPD-Funktionären Franz Jacob und Anton Saefkow an. Bis Sommer 1944 waren über 500 Menschen in der Gruppe aktiv, darunter ein Viertel Frauen. Die Gruppe baute Kontakte zu anderen Widerstandskreisen und Zwangsarbeitenden auf, rief in Flugblättern die Bevölkerung, Zwangsarbeitende und Soldaten auf, sich aktiv für das Ende des Kriegs einzusetzen und Hitler zu stürzen. Durch Verrat eines Spitzels flog die Gruppe auf, 280 Mitglieder sowie weitere Kontaktpersonen wie Julius Leber wurden verhaftet, in Konzentrationslager gesperrt und ermordet.

SAJ: Die Sozialistische Arbeiterjugend war die Jugendorganisation der SPD.

Schutzhaft: Die „Reichstagsbrandverordnung“, erlassen nach dem Reichstagsbrand, erlaubte es den Nationalsozialisten, politische Gegner:innen ohne konkreten Tatbestand zu verhaften und unbegrenzt und ohne richterlichen Beschluss festzuhalten.

SED: Sozialistische Einheitspartei Deutschlands

Sonnenburg: Das 1832/33 erbaute Zuchthaus im damals zu Preußen gehörenden Sonnenburg (heute Słońsk in Polen) wurde bis 1930 als Gefängnis genutzt und dann aus hygienischen Gründen geschlossen. Von April 1933 bis 1934 wurde das Gebäude als eines der ersten frühen Konzentrationslager genutzt. Anlass für die Nutzung war die Überbelegung Berliner Gefängnisse nach dem Reichstagsbrand. Etwa 1.200 Gefangene waren hier inhaftiert, darunter Erich Mühsam und der politische Anwalt Hans Litten. 1934 wurde das KZ aufgelöst, das Gebäude aber weiterhin als Zuchthaus genutzt.

SPD: Sozialdemokratische Partei Deutschlands

SVV: Stadtverordnetenversammlung

U

Uhrig-Römer-Gruppe: Die kommunistisch geprägte Gruppe entstand im Sommer 1941 durch den Zusammenschluss der Kreise um den Arbeiter und kommunistischen Funktionär Robert Uhrig und um den Juristen, früheren Freikorpsführer und späteren Kommunisten, Josef „Beppo“ Römer. Beide waren bereits ab 1933 im Widerstand und wurden kurz danach im Zuchthaus Brandenburg inhaftiert. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 vereinbarten sie eine geheime Zusammenkunft in Brandenburg im August 1941, eines der größten Treffen von Antifaschist:innen in der NS-Zeit. In der Gruppe waren etwa 170 Personen aktiv, darunter ein Drittel Frauen. Anschließend gaben sie gemeinsam geheime Schriften wie den „Informationsdienst“ heraus. Anfang Februar 1942 wurde die Gruppe aufgedeckt und ein Großteil der Mitglieder verhaftet, 1944 wurde fast die Hälfte von ihnen zum Tode verurteilt und ermordet, darunter auch Frauen.

USPD: Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands

V

VVN-BdA: Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Z

Zwangsarbeit-Gruppe: Von 1938 bis 1945 wurden in Berlin etwa eine halbe Million Zwangsarbeiter:innen aus allen Teilen Europas eingesetzt. Zu den ersten gehörten Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma sowie von den Nationalsozialisten als „asozial“ stigmatisierte Personen. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 und insbesondere nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion Ende Juni 1941 wurden immer mehr Zwangsarbeiter:innen ins Deutsche Reich verschleppt. Bis 1945 waren es etwa 13 Millionen, in den besetzten Gebieten weitere 13 Millionen Menschen, die für die deutsche Kriegswirtschaft Zwangsarbeit leisten mussten. Sie wurden in allen Wirtschaftsbereichen eingesetzt und gehörten nicht nur in Berlin zum Alltagsbild. Neben Rüstungsbetrieben und in der Landwirtschaft wurden Zwangsarbeiter:innen auch in kleineren Betrieben wie Bäckereien oder in Privathaushalten eingesetzt. Für ihre Unterbringung waren die Arbeitgebenden zuständig. In Berlin gab es über 3.000 Sammelunterkünfte, darunter alte Hotels, Schulgebäude oder Theater, aber auch eigens errichtete Lager wie in Schöneweide. Dort besteht seit 2006 das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit.

20. Juli 1944: Viele hohe Militärs standen der Machtübertragung an Hitler 1933 nicht kritisch gegenüber und nur wenige widersprachen dessen Zielen. Ab 1943 bereitete eine kleine Gruppe Militärs in Zusammenarbeit mit zivilen Widerstandskreisen einen Umsturzversuch vor. Ein Attentat auf Hitler sollte die „Operation Walküre“ auslösen – ursprünglich Planungen der Nationalsozialisten, um gegen innere Aufstände vorzugehen – die der Kreis umgestaltet hatte. Mehrere Attentatsversuche wurden 1943 und 1944 abgebrochen. Am 20. Juli verübten Major Claus Schenk Graf von Stauffenberg und sein Adjutant Werner von Haeften einen Sprengstoffanschlag im Führerhauptquartier Wolfsschanze. Obwohl Hitler überlebt hatte, versuchten die militärischen Oppositionellen vergeblich den Staatsumsturz in Berlin umzusetzen. Das hatte große Verhaftungswellen gegen Beteiligte und vermeintlich Beteiligte zur Folge, etwa 200 Männer wurden ermordet. Auch Frauen waren an den Plänen beteiligt, ihre Aktivitäten blieben aber überwiegend unentdeckt.