Kreuzberger Kiezspaziergang zum Viktoriapark

Zwischen Verfolgung und Widerstand

Eine Stadtführung von Trille Schünke für Frauentouren durch Kreuzberg zu Frauen während der NS-Zeit.

Der Rundgang begann am Rathaus Kreuzberg und führte über die Hornstraße 3, dem ehemaligen Wohnort der kommunistischen Widerstandskämpferin Ursula Goetze über die Hornstraße 23. Hier befand sich nach 1939 ein sogenanntes Judenhaus. So bezeichneten die Nazis Häuser, in die sie ausschließlich Juden und Jüdinnen zwangsweise einwiesen. Dort lebten zuletzt auch die drei Schwestern Gertrud und Charlotte Arnhelm und Jenny Stein in einer Einzimmerwohnung. Alle drei mussten Zwangsarbeit bei Siemens leisten und wurden im Zuge der Fabrikation Ende Februar 1943 an ihren Arbeitsstellen verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Dort verliert sich ihre Spur.

Im Eckhaus Yorckstraße/Möckernstraße, lebte bis 1932 der Widerstandskämpfer der Roten Kapelle Karl Behrens (1909-1943). Bis 1931 war er Mitglied der Hitlerjugend, SA und NSDAP, trat aber Ende 1931 gemeinsam mit 12 Freunden geschlossen aus der Hitlerjugend aus. Wegen öffentlicher Kritik an der Partei wurde er auch aus der NSDAP ausgeschlossen und trat 1932 der KPD bei. Mitte der 30er Jahre kam er in Kontakt mit Mildred Harnack und schloss sich dem Kreis um sie an. 1939 heiratete er Clara Sonnenschmidt (1915-1991). Zusammen lebten sie in der Nähe in der Katzbachstr. 15. Clara Behrens beteiligte sich als Kurierin ebenfalls am Widerstand. Mehrfach fanden auch illegale Treffen in ihrer Wohnung statt. Bis 1941 arbeitete sie im Oberkommando des Heeres als Schreibkraft und sammelte dort geheime Informationen über die deutschen Kriegsüberlegungen.

In der Yorckstraße 74 lebte ab 1932 Amalie Merory mit ihren Kindern. Sie wurde am 13. Januar 1942 zusammen mit den Töchtern Sophie und Rosa in der Wohnung verhaftet und von Grunewald nach Riga deportiert. Dort verliert sich ihre Spur.

Der letzte Halt war am Mahnmal „Wir haben Gesichter“ links am Wasserfall im Viktoriapark am Kreuzberg. Das Mahnmal entstand in einer Nacht im Mai 2005 im Zuge einer feministischen Aktion als Zeichen gegen sexualisierte Gewalt gegen Frauen. An der Stelle wurde eine Frau überfallen und vergewaltigt. Wer hinter dem Mahnmal steht, ist unbekannt.

Inschrift einer Infotafel am Mahnmal:

HIER WURDE IN DER NACHT VOM 18. AUF DEN 19. MÄRZ 2002 EINE FRAU VON ZWEI MÄNNERN VERGEWALTIGT EINE VON VIELEN. JEDE VERGEWALTIGUNG IST ERNIEDRIGUNG UND FOLTER.  VERGEWALTIGUNG AN FRAUEN UND MÄDCHEN FINDET AN JEDEM ORT STATT, DIE MEISTEN DAVON IN WOHNBEREICHEN. MÄNNERGEWALT UND FRAUENVERACHTUNG IST KRIEG GEGEN FRAUEN. DAS PATRIARCHAT SCHAFFT HIERARCHISCHE UND AUSBEUTERISCHE BEZIEHUNGEN VON MÄNNERN GEGEN FRAUEN. SEXISMUS IST GEWALT GEGEN FRAUEN IN ALLTAG UND IM STAAT. ÜBERALL DA, WO WIR DIE GEWALT SPÜREN, SEHEN, VON IHR HÖREN WERDEN WIR UNS WEHREN, NICHT SCHWEIGEN! MIT DER ENTSCHEIDUNG JEDER EINZELNEN UND DER KRAFT UND VIELFALTIGKEIT DER FRAUENEBEWEGUNG UND MIT FEMINISTISCHEM WIDERSTAND WERDEN WIR DAS PATRIARCHAT ABSCHAFFEN UND SEXISMUS BEENDEN. SOLIDARITÄT – WIDERSTAND – ÖFFENTLICHKEIT! GREIFT EIN! SAGT NEIN!

Auf der Stele selbst steht:

Wir haben Gesichter

Wir haben Augen

Wir haben Hände und Fäuste

Wir haben Träume

Wir haben Trauer

Wir haben Lachen

Wir haben Zorn

Wir leben

Trotz alledem

Wir kämpfen

Für Frauenachtung

Und

Gerechtigkeit

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