Erinnern und Gedenken an Alice und Hella Hirsch und andere jüdische Frauen
Stadtrundgang am 22. Mai 2022 in Rummelsburg von Claudia von Gélieu für Frauentouren und der Berliner VVN-BdA im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Im Gedenken an die jüdische Widerstandsgruppe um Herbert Baum“
Gestern haben wir an der Stadtführung durch die Rummelsburger Bucht von Claudia von Gélieu teilgenommen. Besucht wurden Straßen, deren Namen an Widerstand und Verfolgung, Exil und Ermordung jüdischer Frauen in der NS-Zeit erinnern. So wie die die Vicki-Baum-Straße nach der jüdischen Schriftstellerin und Drehbuchautorin. Zum Zeitpunkt der Machtübertragung an die Nazis im Januar 1933 befand sich Vicky Baum (1888-1960) für die Verfilmung einer ihrer Romane in Hollywood. Sie kehrte nicht mehr nach Deutschland zurück.
Eine andere Straße ist der Reformpädagogin Clara Grunwald (1877-1943) gewidmet. Sie besuchte in den 1920ern Montessori-Kurse in Großbritannien und brachte das pädagogische Bildungskonzept nach Deutschland. Ende der 20er Jahre entstanden einige Montessori-Einrichtungen in Berlin, die allerdings von den Nationalsozialisten nach dem 30. Januar 1933 geschlossen wurden. Clara Grunwald kam Anfang der 1940er in das Lager Landwerk Neuendorf, das in den 1930ern zur Hachschara, der Vorbereitung auf die systematische Auswanderung nach Palästina genutzt wurde, und ab 1941 als NS-Zwangsarbeits- und Sammellager für Deportationen. Hier unterrichtete sie jüdische Kinder. 1942 begannen die Deportationen nach Auschwitz. Claudia von Gélieu berichtete, dass Clara 1943 eigentlich nach Theresienstadt deportiert werden sollte, sich aber weigerte. Sie wurde zusammen mit ihren Schüler*innen nach Auschwitz verschleppt und dort vermutlich kurz nach der Ankunft vergast.
Mitglieder der Baum-Gruppe
Nach den Schwestern Alice (1923-1943) und Hella Hirsch (1921-1943) ist eine Straße benannt. Beide waren in der jüdischen Widerstandsgruppe um Marianne und Herbert Baum sowie Sala und Martin Kochmann aktiv. Hella Hirsch hatte in der Nähe im Aceta-Werk der IG-Farben als Jüdin Zwangsarbeit leisten müssen. Sie wurde dort im Sommer 1942 im Zuge der Aufdeckung der Gruppe verhaftet und am 4. März 1943 in Plötzensee hingerichtet. Ihre jüngere Schwester Alice wurde nach Auschwitz deportiert und kam dort ums Leben.
Sehr interessant war der Beitrag zu Hildegard Markusson (1910-1992), Ärztin und nach 1945 an der Charité angestellt. Claudia von Gélieu hat im Zuge ihrer Recherche für den Rosa-Luxemburg-Stadtführer herausgefunden, dass Hildegard Markussons Schwiegereltern 1919 Rosa Luxemburg versteckt hatten. Das Grab von Markusson, ihrem Mann und ihren Schwiegereltern befindet sich auf dem Friedhof Friedrichsfelde.
Ende des Rundgangs war am alten Arbeitshaus in Rummelsburg. In der NS-Zeit diente der Komplex als Anstalt für sogenannte Asoziale – eine Sammelbezeichnung der Nazis für als „minderwertig“ bezeichnete Menschen aus den sozialen Unterschichten –, zu DDR-Zeiten wurde er als Männergefängnis genutzt. Auf dem Gelände sind heute Infotafeln angebracht, ein Audio-Rundgang fürs Smartphone zeigt Biografien und Videos von Zeitzeug*innen.